Die Rebellen von Varashon (Teil 78)…

… Drei Tage und drei Nächte lang ritten wir mit höllischer Geschwindigkeit und Furcht in den Eingeweiden auf dem Rücken der Luftströmung, die ungebärdigen Winde drohten des Öfteren, das fragile Luftschiff in tausend Fetzen zu zerreißen. Dann kam Hadum’maith aufgrund des Studiums seiner Karten und der Bestimmung der Gestirne zu dem Schluss, dass wir das an Varashon angrenzende Fürstentum Nithian schon gut zur Hälfte überquert haben mussten. Es war an der Zeit, den Sinkflug einzuleiten, an einem gut verborgenen Ort zu landen, und die letzten Vorkehrungen für unseren Putsch zu treffen. Es kostete Hadum’maith und Lahl’lil, Virrilh und Iree’boin, die nun zu Viert das Steuer des Luftschiffs übernommen hatten, viel Kraft und Geschick, unser Gefährt aus dem ewig gellenden Sturm heraus zu manövrieren. Doch endlich glitten wir tiefer, und konnten die auf Dauer unbequem gewordenen Atemmasken wieder abnehmen…

… Es herrschte finstere Nacht, als wir auf einer leicht ansteigenden, holprigen Lichtung inmitten eines weithin sich erstreckenden Waldgebietes den Ausstieg öffneten und die Treppe anlegten. Tief und durstig die kühle, würzige Luft in unsere Lungen trinkend trampelten wir auf und ab, um die steigen Gelenke zu lockern. Lempstein krallte sich unvermittelt in den dicken Stoff meiner Jacke. Mit gerunzelten Brauen versuchte er angestrengt, das Dunkel ringsum zu durchdringen. „Was habt Ihr, Meister?“ – „Whin-Whin, mein Adler – er ist in der Nähe, ich kann ihn fühlen!“ Lahl’lil musterte ihn erstaunt. „Das kann nicht sein, mein Freund. Euer Raubvogel dürfte mittlerweile längst in Kalkadiass angelangt sein.“ – „Doch, doch, er ist hier! Ich muss ihn suchen!“ Der Falkner stolperte zurück in das Luftschiff, kurz darauf kam er wieder zum Vorschein, ein großes Glimmlicht bei sich tragend. Adlanat und der K’auth nickten mir zu. „Allein geht hier niemand irgendwo hin. – Kommt, wir begleiten ihn.“..

… So marschierten wir, vorsorglich entsicherte Feuerwaffen mit uns tragend, durch das dichte, mit Dornen und Widerhaken bewehrte Unterholz. Lempstein stieß von Zeit zu Zeit einen kaum hörbaren Pfiff aus. Wir lauschten angestrengt, konnten allerdings außer unserer Atemzüge und dem Knacken trockenen Geästs unter unseren Füßen nichts vernehmen. Unser Freund jedoch schien die weitaus besseren Ohren zu haben. Mit einem hastig gehauchten „Dort drüben ist er!“ preschte er los, über Stock und Stein…

… Als wir eine kleine, kraterähnliche Senke erreichten, sahen wir im Schein des Glimmlichts tatsächlich den zweiköpfigen Adler. Er hatte die beiden Häupter mit den klug und scharf blitzenden Augen uns zugewandt, die Flügel schützend über einen großen, geflochtenen Korb gespreizt. Ich konnte trotz der Dunkelheit hektische Bewegungen darin ausmachen, stoßende kinderkleine Hände und Füße, hin und wieder kam ein absonderlicher Kopf zum Vorschein. „Whin-Whin!“ –  „Die Llewsorianer!“, stießen der K’auth und Lempstein zugleich hervor. Wir sprangen in die Mulde. Der riesige Adler krächzte laut – und sehr erleichtert, wie es schien – ließ von seiner Last ab, und flog auf den ausgestreckten Arm des Falkners, der ihm beruhigend und kosend murmelnd das Federkleid der breit gewölbten Brust streichelte…

… Dem Korb entstiegen die absonderlichsten Lebewesen, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Sie trugen riesige, vollkommen kahle Köpfe mit übergroßen, tiefschwarzen Augen auf den schmalen Schultern, hatten grotesk dünne Arme und Beine, Hände mit schier endlos langen, zartgliedrigen Fingern und kleine, tonnenförmige Körper. Der K’auth sank auf die Knie, die Zwei stürmten auf ihn zu, umarmten ihn stürmisch, und ließen dazu Laute vernehmen, die sich wie das Zwitschern einer exotischen Vogelart anhörten. Zu meinem großen Erstaunen schlug Lahl’lil die gleichen Töne an. Es entspann sich eine aufgeregte Unterhaltung zwischen den Dreien…

… Das erste, was wir vernahmen, als wir mit den Llewsorianern und dem Adler das Luftschiff erreicht hatten, war des K’auth’s Leibkatze Minthau, die sich auf der obersten Stufe der Treppe stehend wie eine Furie gebärdete, spuckte, wild fauchte, und mit dem Schwanz hin und her peitschend einen sehr beeindruckenden Buckel machte. Lahl’lil stapfte kurzerhand hoch, packte seine vierbeinige Beraterin im Nacken, und verstaute sie in seinem Gemach. „Was erlaubst du dir!“, schrillte die Katze, „Geht man so mit einer altgedienten, langjährigen Vertrauten und Respektsperson um?!“ Eine Weile schien die Vierbeinerin in dem abgesperrten Raum alles kurz und klein zu schlagen, doch dann kehrte Ruhe ein. Unser Freund schmunzelte. „Da hat jetzt die Neugierde gesiegt. Ich gehe jede Wette ein, daß Minthau jetzt dicht an der Türe hockt, und beide Öhrchen ganz konzentriert spitzt.“…

… „Es gibt sie also wirklich.“, murmelte meine Schwester, als sie der Außerirdischen ansichtig wurde. Hadum’maith nickte mit glänzenden Augen. „Aber natürlich!“ – „Auf der Erde sind ungezählte Geschichten über sie im Umlauf. Die meisten Menschen dort tun diese als Märchen, Lügen, oder gar Halluzinationen ab. Oft werden sie als blutrünstige und skrupellose Eroberer dargestellt, hin und wieder auch als sehr gutherzig und uns weit überlegen. Es existieren Tausende Filme über sie.“ – „Filme? Was ist das?“ – „Bewegte Bilder.“ – „Ach! – Sagt, Großfürstin, was wisst Ihr darüber? Könnt Ihr mir das erklären?“ Der K’auth packte Hadraa’ina’s Vater bei den Schultern und zog ihn von Lutania-Nasieliel weg. „Später, mein Freund! Jetzt sind andere Dinge weitaus wichtiger! Nachdem, was mir die Llewsorianer berichtet haben, hat man uns und unser Angriff auf die Burg Halpensteins verraten. Wir müssen uns eine neue List einfallen lassen. Ich fürchte, dies wird wieder einmal eine lange und schlaflose Nacht werden.“…

… Wird fortgesetzt…

About Martha, die Momente-Sammlerin

Seit meinen Kindertagen pflege ich zu schreiben. Und zu denken. Und wegen meiner manchmal sehr sensiblen Geisteshaltung, meiner offenen, unverstellten, auch unbequemen Art anzuecken. Da es mittlerweile so gut wie unmöglich ist, ohne sich zu verbiegen im etablierten Verlagswesen einen Fuß in die Tür zu bekommen, möchte ich mich auf diesem Wege "austoben" und meiner Stimme sozusagen Gehör (Geles) zu verschaffen. Ich habe eine Menge zu sagen, laßt Euch überraschen! Ich bin Mitte der Fünfziger geboren worden, fühle mich allerdings zeitlos.
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7 Responses to Die Rebellen von Varashon (Teil 78)…

  1. Lutz sagt:

    Klasse. L.G.

  2. Spannend mit dem Ballon im Jetstream zu reisen, Adler zu suchen und dabei „ET“ zu finden…
    Und natürlich geht man nicht so mit langjährigen, treuen Beratern um..tzzzzz *gg*
    Ich kann Minthau vor der Tür sitzen sehen. Blinzel…
    Danke für das große Lesevergnügen! 🙂

  3. Gabryon sagt:

    Hat dies auf Allerlei Kunterbunt… rebloggt und kommentierte:
    Unter den Wolken…

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