Zum Jahreswechsel… 31. 12. 2008
„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt…“ (Forrest Gump)
Ich habe vor allem Gestern bei etlichen Bloggern vorbei geschaut, die mir während meiner ersten knapp vier Monaten Gehversuchen im Internet zu virtuellen Freunden geworden sind. Sollte ich jemanden vergessen haben, ach nein, ich richte diesen Gruß jetzt einfach an all die verwandten, bekannten, unbekannten, freundlichen Seelen da draußen im WWW:
Ich wünsche Euch allen von ganzem Herzen einen Guten Rutsch. Und daß das Neue Jahr für Euch einer riesigen Schachtel Pralinen gleichen mag, gefüllt mit Glück, selbstredend Gesundheit, Wohlergehen, schönen Stunden ohne Zahl, Romantik, guter Musik, treuen Freunden, beseelten Gesprächen, unermeßlich vielen Inspirationen… Daß Euch in dieser riesigen Schachtel Pralinen kein einziger Wermutstropfen heimsuchen mag… Und natürlich interessante, lesenswerte, berührende, bewegende Blogs ohne Zahl.
Wir „sprechen“ – lesen – uns selbstredend 2009 wieder!
Jetzt muß ich „Blues Brothers“ fertig gucken und dann in die Arbeit huschen!
Die Geistesschule (6)… 20. 12. 2008
Jedem Schüler, egal welchen Grades, wird beharrlich nahe gelegt, sich mit den Schriften der zwei Gründer des L… R…, Herrn J. v. R. und Frau C. d. P., ausgiebigst zu befassen. Es dauerte nicht lange und ich hegte still ein schlechtes Gewissen darob. Ich kam mit den zahlreichen Ergüssen dieser Menschen nicht zurecht. Sie sagten mir nichts. Ich konnte – obwohl normalerweise eine geübte, begeisterte und wahrlich nicht dumme Leserin – einen Abschnitt mehrmals intensiv Wort für Wort studieren, ohne den darin verborgen geglaubten Sinn zu erfassen. Während meiner Zugehörigkeit zur Geistesschule wandte ich mich anderer Literatur zu, die mir weitaus mehr gab, mich direkter ansprach, meine Seele berührte, öffnete, weitete, besänftigte. Lao-tse’s „Tao te king“ gehört in jedem Fall dazu. Und das Werk „Das wahre Buch vom Südlichen Blütenland“ Dschuang tse’s, des taoistischen Meisterphilosophen schlechthin, zählt, genauso wie mein Fotoapparat, zu den Dingen, welche mich praktisch auf Schritt und Tritt begleiten. Auch „Das spirituelle Wissen Chinas“ von Adeline Yen Mah berührte mich tief. Ich stellte zu meinem großen Erstaunen fest, daß mich die asiatischen Weisheiten mehr und mehr in ihren Bann zogen – und meiner Seele auch ausgesprochen wohl taten.
Nach einem Tempeldienst im Vorfrühling wurde ich von der Zentrumsleitung angesprochen. Meine Phase als Vorbereitende Schülerin sei nunmehr absolviert, wäre ich bereit für die nächste Stufe, für das Probeschülertum? Tief ergriffen bejahte ich und bekam nur Tage später Post:
„Es ist eine große Freude für uns, Ihnen mitteilen zu können, daß die Zeit Ihres vorbereitenden Schülertums vorüber ist und Sie das Probeschülertum der Geistesschule … beantragen können. Dieses kann geschehen, indem Sie uns den beigefügten Fragebogen ausgefüllt und unterschrieben zurück senden.
Das Probeschülertum führt Sie zu einer stärkeren Verbindung mit der Geistesschule. Sie werden verstehen, daß dann auch die Konsequenzen für Sie größer werden und das L… R… verpflichtet ist, bestimmte Forderungen der elementaren Lebensreform zu stellen. Diese umfassen folgende Punkte:
1. Vollkommen vegetarische Lebensweise
2. Verzicht auf Alkohol und Narkotica
3. Verzicht auf Pelze und Federn
4. Verzicht auf lederne Kleidung
5. Absoluter Verzicht auf Fernsehen
6. Eine moralisch hochstehende Lebensführung sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben
7. Vollkommene Treue gegenüber der Schule und ihrer mandattragenden Leitung sowohl in Wort und Schrift als auch in privaten Handlungen
8. Möglichst häufiger Besuch der Konferenzen im C…R…C…-Heim
9. Möglichst häufiger Besuch der Dienste und Zusammenkünfte in Ihrem Zentrum
10. Bereitschaft, alles zu tun, was Ihnen möglich ist, um der Geistesschule zu dienen
11. Bereitschaft, alles zu unterlassen, was der Schule und ihrem großen Ziel schaden könnte
12. Das gesamte Werk und seine Mitarbeiter täglich bewußt in Liebe und Gebet mit tragen
Wir halten es durchaus für möglich, daß sich einige durch diese zwölffache elementare Forderung forciert fühlen. Sollte es bei Ihnen der Fall sein, dann beweist es, daß zwischen Ihnen und dem Pfad, den die Bruderschaft mit Ihnen gehen will, noch Spannungen bestehen. Es ist logisch, daß die in diesem Fall auftretenden Schwierigkeiten nicht vom L… R…, sondern von Ihnen selbst aufgelöst werden müssen. Selbstverständlich sind wir gern bereit, mit Ihnen darüber zu sprechen, falls Sie es wünschen.
Ihrer Antwort sehen wir voller Erwartung entgegen und verbleiben mit herzlichen Freundesgrüßen.“
Der Fragebogen:
1. Waren Sie früher bereits mit einer esoterischen Schule oder Vereinigung verbunden?
2. Wenn ja, mit welcher?
3. Sind Sie noch Mitglied?
4. Wie lange bestand die Verbindung?
5. Sind oder waren Sie Mitglied einer Kirche?
6. Wenn ja, welcher?
7. Wie lange?
8. Haben Sie sich mit einer politischen Richtung beschäftigt?
9. Dazu erbitten wir nähere Angaben:
10. Sind Sie getauft?
11. Wenn ja, durch welche Kirche oder religiöse Gemeinschaft?
12. Haben Sie sich aktiv oder passiv mit aussergewöhnlichen Heilmethoden beschäftigt? Wie z. B. Magnetisieren, Hypnose, Pendeln, Gesundbeten etc.
13. Haben Sie irgendwelche Drogen oder Rauschgifte zu sich genommen?
14. Wenn ja, welche? Von wann bis wann?
14. Können Sie völlig vegetarisch leben?
15. Können Sie völlig auf Alkohol verzichten?
16. Können Sie völlig auf Narkotika und Drogen verzichten?
17. Können Sie das Tragen von Pelzen und Federn vermeiden?
18. Können Sie das Tragen lederner Kleidung vermeiden?
19. Können Sie auf das Fernsehen verzichten?
20. Haben Sie während der Zeit Ihres vorbereitenden Schülertums eventuelle Bindungen an eine Kirche, politische Parteien oder Vereinigungen religiöser und/oder okkulter Art schriftlich gelöst? (Bitte Kirchenaustrittserklärung beifügen)
21. Besuchen Sie regelmäßig die Zusammenkünfte in Ihrem Zentrum und die Konferenzen im C…R…C…-Heim?
22. Sind Sie bereit, alle Arbeiten, welche die Geistesschule von Ihnen erbittet, nach bestem Wissen und Vermögen anzunehmen und auszuführen?
23. Name:
24. Adresse:
Datum: Unterschrift:
Und zu guter Letzt gab es noch eine Art „Gebrauchsanweisung“: Man solle diese beiden Schreiben drei Tage lang ruhen lassen, am dritten Abend dann eine Kerze entzünden, einen vorgegebenen Bibelspruch lesen, auf sich wirken lassen, anschließend nach bestem Wissen und Gewissen die geforderten Lebensregeln studieren, den Fragebogen ausfüllen und unterzeichnen. Ich tat gehorsam, wie verlangt. Das Gesetzlein aus den „Offenbarungen“ schien nicht die geringste Wirkung zu zeigen. Das einzige, was ich vernahm, war das ganz, ganz leise warnende innere Stimmchen. Aber, wie schon so oft zuvor, pflegte ich es auch diesmal zu ignorieren. Mit einigen Vorbehalten, ich dachte nicht im Geringsten daran, mir tatsächlich als modernem und aufgeschlossenem Menschen das Fernsehen untersagen zu lassen, aber ich wollte halt so gerne einmal irgendwo richtig dazu gehören, setzte ich schwungvoll meinen Servus unter Antrag und Fragebogen.
Etwa eine Woche später erhielt ich als Antwort eine Art Glückwunsch- und Willkommensfloskel, sowie die Ankündigung, daß ich während der in zirka vierzehn Tagen stattfindenden, österlichen Konferenz als Probeschülerin aufgenommen werden würde. Ich empfand beim Lesen dieser Worte an sich weniger die erwartete Freude, eher so etwas wie Trauer. Noch zwei Wochen, dann würde meine Ungebundenheit, meine Freiheit der Vergangenheit angehören. Nun ja. Ich war nach wie vor überzeugt davon, dazu gehören zu wollen. Und Opfer mußten immerhin und irgendwie ständig gebracht werden.
Grade in jener Zeit hatte ich als nunmehr durchaus Langzeit-Arbeitslose meinen ersten kräftigen Durchhänger. Bis dato war ich felsenfest davon überzeugt gewesen, als Fachkraft, immerhin bin ich ja Restaurantmeisterin, eher über kurz als lang wieder eine neue Anstellung zu finden. Doch ich sah mich bitterlichst getäuscht. Mit 50 +, noch dazu im Service, gilt man in der Gastronomie als abgehalftert, ausrangiert, nicht mehr voll belastbar und einsatzfähig. Die Absagen häuften sich. Kurz vor Ostern kam erneut ein ganzer Schwall Bewerbungsunterlagen mit negativen Ergebnissen zurück. Es erforderte ein gerüttelt Maß an Kraft und Seelenstärke, nicht in Depressionen abzugleiten.
Ich rief meine Freundin Renata an und klagte ihr mein Leid, grade an jenem Abend völlig am Boden zerstört. Ihr Kommentar, mit Eiseskälte und von oben herab vorgebracht: „Ach, ich kann die Arbeitgeber schon verstehen, daß die keine Leute über Fünfzig einstellen. Die kann man ja allesamt nicht mehr richtig einsetzen und krank und somit unzuverlässig sind sie obendrein auch noch die ganze Zeit…“
Nach diesem Telefonat saß ich lange Zeit fassungslos und wie vom Donner gerührt. Wie bitte? Hatte ich da grade richtig gehört? Wie kann das sein, daß jemand, der seit gut vierzig Jahren Mitglied dieser Geistesschule ist, einen hohen Rang einnimmt, die Höhere Bewußtseinsschule (nicht nur für mich stets das Maß aller Dinge!) absolviert hatte, eine solch grausame, niederschmetternde, ja, geradezu bodenlos gemeine Äußerung von sich zu geben imstande ist? Zum ersten Mal tönte das innere Stimmchen ganz, ganz laut: „Wenn so jemand derart entgleist und sich so unsensibel verhält – und das einer angeblichen Freundin gegenüber – dann ist’s mit den Weisheiten des L… R… nicht weit her.“ Zum ersten Mal ignorierte ich das seelentiefe Rufen nicht. Ich begab mich an meinen Computer und erklärte mittels eines ausführlichen Schreibens meinen Austritt. Anschließend verfaßte ich einen handschriftlichen Brief an Renata, in welchem ich sehr deutlich meine Erschütterung und Enttäuschung ausdrückte.
Mein Austritt wurde mit wenigen Worten des Bedauerns akzeptiert. Als ich den Bogen mit dem mittlerweile so wohl bekannten Zeichen der drei ineinander ruhenden geometrischen Figuren in den Händen hielt, überkam mich heftige Reue. Was hatte ich da nur getan! Ich hatte mich von der einzigen Gemeinschaft abgeschnitten, der ich dauerhaft zugehörig war. Einige Tage nach Ostern lief mir zufällig Renata über den Weg. Sehr wortreich und mit Tränen in den Augen flehte sie mich um Verzeihung an (um dann in der Folgezeit stets zu behaupten, den Ausspruch, welchen ich ihr zur Last gelegt hatte, niemals geäußert zu haben). Mein Herz schmolz dahin wie Butter in der Sonne. Es dauerte nicht lange und ich bat um Wiederaufnahme in die Geistesschule des L… R…
… Eine Fortsetzung gibt’s noch!
Die Geistesschule (5)… 15. 12. 2008
… An einem trüben Novembersonntag wurde ich als Vorbereitende Schülerin aufgenommen. Die Zeremonie fand nach einem Tempeldienst statt und war sehr schlicht. Nichts von alledem, was ich nach der mehrfachen Lektüre des Buches „Die Loge“ mir als Aufnahmeritus in meiner Phantasie ausgemalen hatte. Ich wurde flankiert von zwei Mitgliedern der sogenannten Ecclesia, der Zentrumsleitung. Sie fungierten als meine Zeugen. Zu sagen hatten wir gar nichts, das übernahm ein Sprecher. Ich mußte keinerlei Gelübde ablegen, was mir sehr sympathisch war. „Ich werde versuchen,“, wurde in meinem Namen kundgetan, „mich an die Regeln des L… R… zu halten, Verschwiegenheit zu wahren, was die Lehren und Gebräuche der Geistesschule betrifft. Ich werde versuchen, meine Mitmenschen weder zu be- noch zu verurteilen oder zu kritisieren, da man von Jedem lediglich das Äußeres wahrnehmen kann und niemals das Innere ergründen wird…“ Nach der kurzen Aufnahme wurde mir eine wunderschöne weiße Rose überreicht – und dann schien das Eis zwischen den Anderen und mir zu brechen. Viele kamen, um mich zu beglückwünschen, es sah aus, als wäre die Teilnahmslosigkeit, die Distanziertheit, die Gefühlslosigkeit überwunden.
Für den Rest des Tages schwebte ich. Ich hatte den Eindruck, endlich ein Zuhause gefunden zu haben. – Ich hatte mich Zeit meines Lebens als Außenstehende empfunden, nirgendwo dazu gehörig. Als kleines Mädchen war ich sechs Jahre lang der Augenstern gewesen, die Prinzessin. Dann bekam ich, ohne groß darauf vorbereitet worden zu sein, meinen kleinen Bruder vor die Nase gesetzt. Dies muß mich traumatisiert haben. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr wichtig, nichts mehr wert zu sein, man hatte mich beiseite geschoben. Als ich Dreizehn war, ereignete sich diese böse Mißbrauchsgeschichte – noch ein Trauma. In der Folgezeit entwickelten sich eine erkleckliche Anzahl Komplexe und Neurosen. In der Schule bin ich stets die Jüngste gewesen. In der Arbeit, egal wo, fortlaufend eine Außenseiterin, weil ich mich nicht anpassen konnte, weil ich nicht bereit war, manche Mißstände klaglos hinzunehmen. Und wenn’s wirklich einmal irgendwo stimmig war, im Job, in einer Freundschaft oder gar Partnerschaft, ergriff ich die Flucht. – Aber nun galt ich als Teilchen dieser Gemeinschaft und war so froh darüber. Ich hatte zutiefst den Eindruck, eine neue Heimat, eine neue Familie gefunden zu haben. Einige Stunden später warf ich meine halbleere Schachtel Zigaretten weg. Ich brauchte sie nicht mehr.
Eine Freundschaft mit Renata bahnte sich an, obwohl ich bald feststellen mußte, daß diese Dame sich bisweilen als ausgesprochen launenhaft gebärdete, was mir manchesmal wehtat. Sie konnte an einem Tag herrlich aufgeräumt, heiter und zugänglich stundenlang einen Schaufensterbummel mit mir unternehmen, ins Kino gehen oder zum Essen – und am nächsten Tag durch mich hindurch sehen, als sei ich aus Glas, als wären wir uns noch nie über den Weg gelaufen, oder aber mich dermaßen schroff und von oben herab abfertigen, als wäre ich ein tumber Bauerntrampel. Ich redete mir diese Bekanntschaft schön – die Renata war immerhin Mitglied der Ecclesia und ins Münchner Zentrum sehr eingebunden, bei vielen Tempeldiensten spielte sie Klavier, die Aufsicht über die Räumlichkeiten oblag ihr, sie organisierte die Mitfahrgelegenheiten zu den einzelnen Diensten und kümmerte sich auch noch um kranke Mitschüler (diese Aufmerksamkeit wird einem allerdings erst ab dem Bekennenden Schülertum zugestattet). Sie hatte die Höhere Bewußtseinsschule absolviert, was wußte ich denn, welch schwerwiegende Erkenntnisse so einer quasi Auserwählten auf den Schultern lasteten. Außerdem – „ich werde versuchen, meine Mitmenschen weder zu be- noch zu verurteilen…“
Mein noch recht junger, damaliger Chef hatte seinerzeit im großen „Löwenbräukeller“ seine Ausbildung als Koch und Kellner absolviert. Aus jenen Tagen hatte er einen sehr umfangreichen Freundeskreis. So nach und nach begann beinahe jeder dieser Spezln in der Wirtschaft als Aushilfsbedienung oder -kellner zu arbeiten. Der heiße Sommer 2006 bahnte sich an. Wir Nicht-Mitglieder seiner Clique, grade mal Drei an der Zahl, fühlten uns zunehmend ins Abseits gedrängt. Während einer sehr früh sehr gut anlaufenden Biergarten-Saison mußten wir als Festangestellte Vier- oder gar Drei-Tage-Wochen schieben, damit der große Freundeskreis auch regelmäßig eingeteilt werden konnte. (Die Gepflogenheit verhält sich umgekehrt: Zuerst gibt man den festen Leuten das Gros an Arbeit, dann den Aushilfen den Rest) Zudem hatte unser Boß, den Einflüsterungen seiner Lebensgefährtin Folge leistend, sich ein paar Monate zuvor für den sogenannten „Münchner Wirte-Oscar“ registrieren lassen. Da bei den Bewerbern im Laufe eines Jahres jederzeit unangemeldet und anonym Restauranttester und -kritiker vorbei schauen konnten, teilte er stets mindestens eine Servicekraft mehr pro Schicht ein, als nötig gewesen wäre.
Nachdem ich zwei Monate in Folge nicht mehr als ca. siebenhundert Euro netto je verdient hatte, schwoll mir langsam aber sicher der Kamm. Als Schülerin des L… R… sollte ich zwar meine dialektische, erdgebundene, von Begierden geplagte Persönlichkeit schwinden lassen – aber diese hatte nun mal feste Ausgaben, brauchte ein Dach über dem Kopf und jeden Tag Speis und Trank. Die Fußball-WM war in vollem Gange, nur bei uns nicht, weil der Chef sich weigerte, einen Bildschirm oder eine Leinwand aufstellen zu lassen. Es war ein Samstag, er hatte uns zu Dritt zum Spätdienst eingeteilt. Ringsum fanden Straßenfeste statt, außerdem das mit Spannung erwartete Spiel Deutschland : Schweden. Wir Drei standen uns acht Stunden lang die Beine in den Bauch. Da platzte mir der Kragen. Ich schnappte mir eine alte Tageskarte und formulierte auf der leeren Rückseite einen geharnischten Brief. Der Satz: „Sie gehören auch zu der Sorte Wirt, die meint, in meiner Kaschemme bin ich der liebe Gott und wenn ich will, kann ich Zwanzig von euch herum stehen lassen, ohne daß jemand auch nur einen Cent Geld verdient…“, war der Höhepunkt meiner Darlegung.
Ich verbrachte eine schlaflose Nacht. Am nächsten Tag, es war ein Sonntag, sollte ich wieder in der Spätschicht bedienen. Ich rief gegen Mittag Renata an, ich benötigte den Zuspruch einer befreundeten Seele. Ich schilderte ihr die Sachlage. Ihr Kommentar: „Also, das ist doch völlig klar. Der will dich und die beiden anderen, die nicht zu seiner Clique gehören, ‚raus ekeln. Du solltest dir das nicht gefallen lassen.“ Ich setzte mich hin und schrieb meine Kündigung.
Ich war zweieinhalb Jahre lang arbeitslos, habe zuletzt sogar Hartz-IV bezogen. Es war die schlimmste, die demütigendste, grausamste Zeit meines Lebens. Ich stand mehrmals kurz vor der absoluten Hoffnungslosigkeit, der völligen Verzweiflung. Und all das nur, weil ich meinen gesunden Menschenverstand ausgeschaltet und auf die Einflüsterungen eines dummen und oberflächlichen Menschen gehört hatte, einer Frau, die weder meinen früheren Chef kannte noch jemals auch nur einen Fuß in die Wirtschaft gesetzt hatte. Aber damals, damals in jenem Sommer, war ich so unendlich weit von dieser klaren Erkenntnis entfernt. Ich war immer noch mit Haut und Haaren eine Vorbereitende Schülerin des L… R…
Mein lieber Dichterfreund… 12. 12. 2008
Sigi Koller, die Sagscheider Dirndln sowie Quirin Kaiser und seine Musikanten sind ein Häusl weiter gezogen, um dort ihre stimmigen Kerzerlabende aufzuführen. Im „Brückenwirt“ ist nun bis kurz vor Weihnachten die Schlierseer Almmusi zu Gast, es gibt meines Wissens im oberbayerischen Raume nicht Viele, die altüberlieferte Volksmusik derart gekonnt und authentisch wiedergeben können. Vervollständigt werden sie von einem ganz lieben Bekannten, ja, Freund von mir.
Der Mundartdichter und -erzähler Gustl Bauer ist trotz seiner über siebzig Lenze immer noch ausgesprochen rührig und rüstig und sehr viel auf Lesungen unterwegs. Wenn er sich nicht grade mit einem Vierterl Rotwein in sein Kellerbüro zurück zieht und schreibt. Er ist der hoch geachteten und weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannten Riege der Turmschreiber angehörig. In diesen erlauchten und erlesenen Kreis aufgenommen zu werden, ist für jeden bayerischen Autor eine wahrhafte Auszeichnung. Zudem hat er lange Jahre hindurch im Bayerischen Rundfunk als Moderator und Interpret gearbeitet. Er ist ein Meister der in oberbayerischer Mundart verfassten Gedichte. Seine teils umwerfend komischen Geschichten („Das Brunchen“ oder „Ehelicher Frückstücks-Dialog“ zum Beispiel) sind voll fein- und auch hintersinnigen Humors, einer gehörigen Portion Augenzwinkern.
Er ist mir im vergangenen Advent bereits aufgefallen, als ich im „Brückenwirt“ noch recht neu war. Seine ruhige, zurück gezogene, liebenswürdige Art hat mich vom ersten Moment an für ihn eingenommen. Trotzdem hat es lange Tage gedauert, bis ich den Mut gefaßt hatte, ihm eine Sammlung meiner Kurzgeschichten und Erzählungen zu überreichen. Ich war überrascht, als er mir das Manuskript bereits am nächsten Abend zurück gab. Er war voll des Lobes. „Ich hab‘ deine G’schichterln noch in der Nacht g’lesn. Du hast ein Mordstalent. Das darfst net untern Scheffel stellen. Mach dich bemerkbar. Schreib‘ Verlagshäuser an. Das mußt du drucken lassen.“
Wann immer sich in den darauffolgenden knapp zwei Wochen ein Quentchen Zeit ergab, suchten wir des Anderen Gesellschaft, tauschten uns aus, fanden außer dem Schreiben noch andere Gemeinsamkeiten. Eine ungewöhnliche Freundschaft begann sich zu entwickeln. Nach der Weihnachtszeit verloren wir einander sehr schnell aus den Augen. Er hat mich in dieser relativ kurzen Zeit durch seinen Respekt, seine Anerkennung, seinen Zuspruch dermaßen motiviert, daß ich mir zu Beginn des neuen Jahres die Muße und das Geld nahm und über vierzig Verlagshäusern Kopien meines Manuskriptes samt nett formuliertem Begleitschreiben zusandte. Im Laufe der mittlerweile elf verstrichenen Monate bekam ich genau zwölf Antworten – Absagen mit beinahe dem gleichen Wortlaut und der Aussage, daß für Kurzgeschichten leider, leider derzeit kein Markt vorhanden sei.
Beinahe ein Jahr lang habe ich nichts vom Bauer Gustl gehört, mit Ausnahme eines kurzen Telefonats vor ein paar Wochen. Aber dennoch habe ich seiner oft gedacht. Manche Freundschaften sind vom Strom der Zeit unberührt. Gestern, am späten Nachmittag, trat er durch die Tür unseres großen, festlich geschmückten und eingedeckten Saales – und uns Beiden war, als hätten wir uns vor kurzem erst voneinander verabschiedet, nach einer herzlichen Begrüßung und dem Austauschen der letzten Neuigkeiten nahmen wir unser Gespräch ziemlich genau an jenem Punkt auf, an dem wir es 2007 drei Tage vor Weihnachten beendet hatten.
Die Geistesschule (Teil 4)… 11. 12. 2008
… Anfang August jenes Jahres nahm ich an meiner ersten Erneuerungs-Konferenz teil. Da das sehr großzügig gestaltete Zentrum des L… R… für Süddeutschland, oberhalb eines kleinen, verträumten Schwarzwaldstädtchens mit wunderbarem historischen Ortskern gelegen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr umständlich zu erreichen war, organisierte man in der Regel Fahrgemeinschaften. Ich wurde um acht Uhr morgens an einem kleinen Bahnhof außerhalb Münchens abgeholt. Meine Chauffeuse und deren Begleiterin wechselten ein paar knappe Bemerkungen und Fragen mit mir und vertieften sich dann in ihre stundenlangen Fachsimpeleien über die Geistesschule. Grade die Beifahrerin war mit dem Mundwerk ausgesprochen gut zu Fuß und erweckte den Anschein, als sei sie bereits seit Ewigkeiten im L… R… Meine Überraschung war groß, als ich später beiläufig erfuhr, daß die Dame grade mal ihr Vorbereitendes Schülertum begonnen hatte.
Man setzte mich im weitläufigen Foyer des großen Hauptgebäudes ab. Punkt. Das war’s. Keine hilfreiche Unterstützung, kein freundliches “Komm, ich zeig dir, wo du dich anmelden mußt – wie das hier abläuft”. Ich bin gottlob seit langem gewohnt, mich allein zurecht zu finden, war aber ehrlich gesagt schon enttäuscht. Und ich fühlte mich einsam und allein gelassen. Ringsumher strömten die Neuankömmlinge, die meisten gut miteinander bekannt, wie’s schien. Ich stand außen vor. Ein Niemand, von niemandem beachtet. Diese – ich will’s mal so ausdrücken – Gefühlskälte, ein absolutes Desinteresse Neulingen gegenüber ist mir bereits in den ersten Wochen meines Vorhof-Daseins aufgefallen. Ich fand, es stand eigentlich im krassen Gegensatz zu dem, was uns an Lehren und Prinzipien während des Einführungskurses kundgetan worden war. An einem Informationsstand wies man mir endlich den Weg zu dem großen Schlafsaal, in dem ich mein Lager aufschlagen dürfte. Stockbetten, mindestens zwei Dutzend an der Zahl, und ich hatte ein Oberbett zugeteilt bekommen. Es stand ohne jegliches Gitter, ohne jeglichen Halt frei inmitten des Raumes. Mir schauderte. Ich träume ausgesprochen lebhaft. Ich versuchte, mir nicht auszumalen, was passieren könnte, wenn ich, wie so oft, nachts versuchen würde, aus der fahrenden Eisenbahn zu springen…
Beim “Einchecken” hatte man mir ein kleines nummeriertes Kärtchen zugesteckt. Dies sei so eine Art Ausweis, bei jeder der nun folgenden Veranstaltungen im großen Tempel müsse ich diesen bei den Wächtern an den beiden Pforten vorzeigen. Und schon setzten wir uns allesamt, ungefähr fünfhundert Schäflein an der Zahl, in Bewegung, Richtung Tempel, zum Besinnungsdienst. Dieser dauerte ungefähr eine halbe Stunde und gefiel mir recht gut. Es wurden Zitate aus Heiligen Büchern gesprochen, dazwischen musizierte ein kleines Orchester und wir sangen ein paar Lieder. Anschließend, nach einer kurzen Zeit der Stille, die im Foyer verbracht wurde, öffneten sich die Türen des großen Speisesaals. Mittagessen. Ich trottete wieder inmitten der Herde, fand irgendwo unter völlig Unbekannten völlig unbeachtet einen Platz. Auch die kurze Lesung vor der Mahlzeit konnte das noch immer in mir schmerzende Gefühl der Einsamkeit nicht lindern. Eine Stimme in mir flüsterte leise, sehr leise: “Komm, pack deine Sachen und verschwind.” Ich ignorierte sie geflissentlich.
Nach der Mahlzeit zerstreute sich die Schar. Einige strebten der Bibliothek im Untergeschoß zu, viele begaben sich in die Schlafsäle, um zu ruhen – oder sich umzuziehen! Da die Konferenz ja nur knappe zwei Tage dauern sollte, hatte ich lediglich einen kleinen Handkoffer mitgenommen, einmal Wäsche zum Wechseln, Bettwäsche, die man selber zu stellen hatte, und etwas Feineres für den Abend. Als ich ziel- und planlos in der Mitte des Raumes stand und meine Blicke schweifen ließ, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Viele meiner Mitbewohnerinnen hatten Gepäck dabei, als befänden sie sich auf einer mehrwöchigen Luxuskreuzfahrt. Diese Damen wechselten im Laufe der folgenden eineinhalb Tage ein halbes Dutzend mal Klamotten und Schmuck – ich übertreibe nicht! Wie sich das mit der Lehre des L… R… von der Bescheidenheit, Demut, dem Ausmerzen solcher Untugenden wie Prunksucht, Gefallsucht und Eitelkeit vertrug, war mir ein Rätsel.
Mir stand der Sinn nicht nach einem Nickerchen. Es gab zu viel zu beobachten, zu ergründen, zu analysieren. So strolchte ich zurück ins Foyer, wo ich mich in eine Nische zurück zog. Ich begann, mich mit meiner Situation als permanent ignorierter Neuling abzufinden, als eine Stimme mit entzückendem Schweizer Akzent mich aus meinen Grübeleien schreckte: “Ja, sagen Sie mal. Hat man Ihnen denn keine Betreuerin zugeteilt?” Ich verneinte. “Dann zeigen Sie mir mal Ihr Kärtchen. Da müßte das auf der Rückseite notiert sein. – Ts, ts, ts, so eine Schlamperei. Da hat man die Frau W… dazu bestimmt, Sie hier vertraut zu machen, und die hat absolut keine Zeit für so was, die muß sich doch um ihre sechs Kinder kümmern.” Sie stand vor mir, um die Sechzig, sehr gepflegt, schlank, hochgewachsen, von vornehmer Ausstrahlung, wie mir schien. “Wissen Sie was, ich nehm’ Sie jetzt ganz einfach unter meine Fittiche. Haben Sie heut nachmittag schon was vor?” Ich zuckte mit den Schultern. “Mich vielleicht ein bißchen mit den Schriften des J. v. R. vertraut machen.” – “Ach, die laufen Ihnen nicht davon. – Wir gehen jetzt Kaffee trinken!” Sprach’s und bugsierte mich durch die Hintertür.
Ich nenne diese Frau für den weiteren Verlauf meiner Geschichte Renata. Das erste, was sie mir eröffnete, als wir strammen Schrittes durch den kühlen Schwarzwald einem kleinen Örtchen entgegen strebten, welches lustigerweise Spesshardt heißt, war, daß solche Exkursionen von der Intendanz (Leitung des Zentrums) gar nicht gerne gesehen würden. “Eigentlich ist es unsere Pflicht als Schüler, das C.R.C.-Heim keinesfalls zu verlassen. Das würde der Kraftkonzentration unserer Einheit schaden. Aber ich finde, das ist schon etwas übertrieben.” Nach schnellem Marsch – “Wir müssen aber um Vier zum Gesangsdienst zurück sein!” – erreichten wir am Rande des Örtchens ein winzig kleines Cafe. Mit dem riesigsten Stück Schwarzwälder Kirschtorte, das ich je zu Gesicht bekommen hatte. Ich zögerte. “Da ist aber Schnaps drin.” Meine Begleiterin machte sehr große, engelsgleiche, unschuldig runde Augen. “Na, und. Du mußt dich an unsere Regeln ja noch gar nicht halten. Und ich habe gelobt, keinen Alkohol zu trinken. Von Essen war nie die Rede.” Ich prustete laut los. Vorbei war meine Mißgestimmtheit, wie weggeblasen das Gefühl der Einsamkeit. Renata war mir – wie vor einigen Monaten bereits am Telefon – so sehr vertraut, als wären wir seit vielen Jahren bereits die besten Freundinnen…
… Während einer Erneuerungskonferenz gibt es
1. Den Besinnungsdienst (Samstag Mittag)
2. Den Gesangsdienst (Samstag Nachmittag)
3. Den 1. Tempeldienst (Samstag Abend)
4. Den 2. Tempeldienst (Sonntag Vormittag)
4. Den 3. Tempeldienst (Sonntag Nachmittag)
Und dazwischen etliche sogenannte Stille-Zeiten, in welchen man sich darum bemühen sollte, die innere Ruhe zu pflegen und möglichst nicht zu sprechen.
Ich habe während meiner Zeit als Vorhof-Mitglied und als Vorbereitende Schülerin sieben Konferenzen absolviert. Die drei Tempeldienste stehen jeweils unter einem Hauptthema. Ich kann mich lediglich an wenige Bruchstücke der Dienste meiner allerersten Konferenz erinnern, und auch nur deshalb, weil der Vortragende – wie die beiden Gründer der Geistesschule – Niederländer war. Es drehte sich an jenem Wochenende um die im zweiten Teil meiner Erzählung bereits erwähnte energetische Kugelform des Menschen und der gute Mann sprach stets von “Kuglen”. – Wenn ich nach jeder dieser sieben Schwarzwald-Exkursionen wieder nach München zurück gekehrt war, hatte ich Schwierigkeiten, die Themen jener Tage mir klar in Erinnerung zu rufen. Da war nichts greifbares, all diese vielen, vielen Worte zerrannen in Nichts. (“Ach, da bist du nicht die Einzige, der das so geht.”, beruhigte mich Renata, als ich mir irgendwann ein Herz fasste und ihr davon erzählte. “Das sind ja auch Texte, die sind dermaßen subtil ausgearbeitet, die sprechen den Seelenkern an. Keine Sorge, was da gesagt worden ist, das weißt du schon noch. Nur eben nicht bewußt.”) – Nur schlafen konnte ich danach ganz ausgezeichnet! Denn meistens tat ich in diesen Schlafsälen kein Auge zu. Entweder hatte man mir ein Oberbett zugeteilt oder aber es befand sich eine wüste Schnarcherin im Raum. Ich kann mich an eine Nacht erinnern, die ich vor mich hindämmernd auf der Toilette verbracht hatte…
Fortsetzung folgt…
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Ungemein fesselnd – ein Krimiklassiker… 09. 12. 2008
Da heute meine Gedanken zerfliessen und sich nicht richtig fangen und ordnen lassen, gibt’s diesmal von mir einen Lese-Tipp: Der Klassiker “Rebekka” von Daphne du Maurier. – Eine sehr junge, weltfremde, verträumte und unerfahrene Frau kommt als Gesellschafterin einer schrillen, aufdringlichen und ungezogenen amerikanischen Millionärin nach Monte Carlo. Dort lernt sie per Zufall den geheimnisvollen englischen Landadeligen Maxim de Winter kennen, ein Witwer schon gesetzteren Alters. Das Mädel verliebt sich in den stattlichen, südenglischen Gutsbesitzer, der ihr aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag macht. Er nimmt seine junge Angetraute mit auf sein heimatliches Gut Manderley. Dort wird sie in eine völlig fremde, sie überfordernde Welt hinein geworfen, einem kleinen Universum aus Standesdünkel, überkommenen Traditionen, Vorurteilen – und sie begegnet Mrs. Danvers, der Haushälterin und ehemaligen Vertrauten von de Winter’s ersten Gemahlin Rebekka. Diese ertrank vor etwas mehr als einem Jahr unter völlig ungeklärten Umständen, und obwohl sie als ausgesprochen erfahrene Seglerin galt, in einer Bucht nahe Manderley. Rebekka erweist sich für die neue Herrin des Landsitzes als immer gegenwärtiger Fluch, als Heimsuchung. Sie beherrscht mit ihrer viel gerühmten Schönheit, Klugheit, Bildung, ihrem Flair, ihrer sehr erotischen und bestrickenden Ausstrahlung nahezu jede Szene, sie ist tot – und doch stets geradezu greifbar präsent. Bis eines Tages ein Dampfer in Nähe der Unglücksstelle kentert und damit das Schicksal und der ungemein fesselnd und eindringlich geschriebene Krimi eine völlig unerwartete Wende nehmen…
Ich kann nicht sagen, wie oft ich bereits diesem Buche verfallen bin, Jahr für Jahr fasziniert es mich aufs Neue. Und seltsam, obwohl ich ganze Passagen daraus rezitieren könnte, bin ich von der dramatischen Wende im letzten Drittel des Krimi-Romans immer wieder überrascht. Es ist eine Lektüre für lange und schlaflose Winternächte. Man kann es in einem Rutsch verschlingen – und sofort wieder von vorne das Lesen beginnen.
“Rebekka” wurde zweimal verfilmt, einmal vom Altmeister Hitchcock persönlich, der sich ziemlich genau an die Original-Vorlage hält, von der Schlußszene einmal abgesehen. Da läßt er seine erzählerische und künstlerische Freiheit walten – und dies verdirbt meiner Meinung nach den durchgängig vorherrschenden Effekt der subtilen Spannung und des Geheimnisvollen. Die zweite Verfilmung geschah im Auftrag privater Fernsehsender, ich habe sie mir nicht angesehen. Den Bildern, die dieser herrlich mitreißende Roman im Kopf erzeugen kann und dem dazu gehörigen Gänsehautfaktor wird ohnehin keine noch so gute Interpretation gerecht.
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Die Geistesschule (Teil 3)… 08. 12. 2008
Die Schülerschaft des L… R… unterteilt sich in sieben Grade:
1. Vorbereitendes Schülertum/ Probeschülertum
2. Bekennendes Schülertum
3. Höhere Bewusstseinsschule
4. Ekklesia
5. Gemeinschaft des Goldenen Hauptes
6. Rat der Ältesten
7. Grossmeister/in
Nach einer dreimonatigen Vorhofzeit würde ich als Vorbereitende Schülerin aufgenommen werden, teilte man mir mit. Während dieser Verweildauer im niedersten Grade müsse ich die Lebensregeln, zu welchen sich die Geistesschüler verpflichten, noch nicht befolgen, als da unter anderem wären: Jeglicher Verzicht auf Alkohol, Nikotin und anderen Suchtcharakter aufweisenden Substanzen, eine ovo-lakto-vegetarische Ernährung, kein Fernsehen, keine Zugehörigkeit zu politisch orientierten Gruppierungen, keine Konfessionszugehörigkeit, Verzicht auf das Tragen von Pelzen und Leder (außer Schuhen). Ich sei aber dazu angehalten, zwei der sogenannten Erneuerungs-Konferenzen zu besuchen, welche alle vierzehn Tage unweit eines kleinen, verträumten Schwarzwald-Städtchens abgehalten werden.
Ich beschloß, auf der Stelle diese Lebensregeln zu verinnerlichen, zumindest einige davon. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich eine geübte Einsamkeitstrinkerin gewesen und hatte pro Abend/Nacht ein Quantum von cirka einer Flasche Wein oder Sekt vertilgt. Damit aufzuhören war überraschenderweise ungeheuer einfach. Ich genehmigte mir noch voller Genuß ein Viertelchen Wein – und kippte den Rest der Flasche bedachtsam in den Ausguß. Um mich an den Vegetarismus zu gewöhnen, brauchte ich einige Wochen, wenn man in der Gastronomie arbeitet, benötigt man dazu schon ein gerüttelt Maß an Selbstbeherrschung. Für Pelze, Lederwaren, Schmuck und dergleichen hatte ich ohnehin noch nie etwas übrig gehabt. Das Nichtrauchen bekam ich noch überhaupt nicht hin, schaffte es aber immerhin, meinen Zigarettenkonsum erheblich zu reduzieren. Was ich gar nicht einsah, war der Fernsehverzicht. Ich bin eine mündige erwachsene Bürgerin dieses Staates und meine Fernbedienung hat Tasten zum Sender wechseln bzw. ausschalten. Ich muß mich wenigstens einmal pro Tag ausführlich über das Geschehen hier und auf dem Rest der Welt informieren.
Ich war etliche Jahre lang so sehr in einen Arbeitskollegen verliebt gewesen. Dieser hatte sich kurz vor unserem Kennenlernen von seiner sehr schwierigen, neurotischen, ja, seelisch kranken Frau getrennt. Mir schien, als hätte ich mein Leben lang auf diesen einen Menschen gewartet, als hätte mich das Schicksal ihm, nur ihm allein, zugeführt. Jahrelang hatte mein Dasein einer Achterbahn geglichen: Schwebend vor Glück, hoffend, träumend – ein am Boden zerstörtes Häufchen Elend, bangend, zu Tode betrübt. Ihm selbst war – davon bin ich nun überzeugt – gar nicht bewußt, welch tiefe Gefühle er in mir auslöste, daß ich den Boden hätte anbeten können, auf dem er schritt. Seine Frau hatte zwei Jahre in Wien verbracht, sie kehrte nach München zurück, weil man ihr das Apartement gekündigt hatte. Ich litt unendlich, tröstete mich aber damit, daß dies mit Sicherheit nur vorübergehend sei, sobald sie eine neue Bleibe aufgetan hätte, würde sie wieder nach Österreich verschwinden. Und dann, und dann würde er erkennen, wie sehr ich ihn liebte, wie sehr wir Beide zueinander passen würden. Ich rieb mich auf für ihn, verlieh Geld, übernahm seine Schichtdienste, wenn die gute Frau wieder einmal ihre seelischen Zustände und Qualen ausfocht, korrigierte seine Manuskripte – er schreibt ebenfalls seit seiner Kindheit – oftmals bis spät in die Nacht hinein, machte Besorgungen, verteidigte ihn meinen anderen Arbeitskollegen gegenüber, die mit seiner gesetzten, stillen, auch etwas gestelzten Art nichts anzufangen wußten.
Meine Psychotherapie begann, erste Erfolge zu zeigen. Seelen heilen unglaublich langsam. Im Zuge dieser regelmäßigen Gespräche mit meiner lieben Therapeutin klärte sich mein durch Komplexe und Neurosen verschleierter Blick und ich begann, die Welt rings um mich wahrzunehmen, wie sie tatsächlich ist. Eines späten Abends, mein Kollege und ich saßen nach dem Spätdienst noch ein Weilchen beieinander und plauderten ein wenig, fiel es mir unvermittelt wie Schuppen von den Augen: Er liebt dich nicht, er hat dich nie geliebt, er wird dich auch niemals lieben. Der einzige Mensch, welcher für ihn wirklich Bedeutung hat, für den er da ist, für den er sich selbst beinahe aufgibt und kämpft und rackert und leidet, ist seine Frau.
Ich litt an dieser Erkenntnis so sehr, hätte ich die Gesprächstherapie nicht gehabt, wäre ich vielleicht sogar daran zerbrochen. Die Zeit, mich meiner Familie wieder anzunähern, war noch nicht gekommen, die Freundschaft zu Thomas, einem ehemaligen Arbeitskollegen, hatte sich durch mein Engagement für die Geistesschule ziemlich abgekühlt. Ich fühlte mich einsam, verlassen und wandte mich daher umso mehr dem L… R… zu.
Die Geistesschule veranstaltet im größten der Zentrumsräume zweimal pro Monat den sogenannten Tempeldienst, einen öffentlichen und einen, der den Schülern vorbehalten ist. Etwa eine Viertelstunde vor Beginn versammelt man sich in einer Art Warte- und Lehrraum und versinkt in Schweigen, versucht, zur Ruhe zu kommen, die Gedanken an Alltag und Probleme abzustreifen. Sobald aus dem Tempelraum die ersten Takte getragenen Klavierspiels ertönen, betritt man die Stätte der Andacht und bekommt einen Platz zu gewiesen. Im Gegensatz zu den Heiligen Messen in den Großkirchen verlaufen Ein- und Auszug der Gläubigen, sowie der Dienst selbst sehr diszipliniert, ruhig und geordnet. (Als ich Allerheiligen mit meiner Mutter den Gedenkgottesdienst an die Verstorbenen des Jahres besuchte, fand ich das ständige Aufstehen, Niedersitzen, Hinknien, Aufstehen, Niedersitzen… ausgesprochen störend und einer Andacht nicht grade förderlich) Während des ersten Parts verliest stets eine Frau Zitate aus der Bibel, dem Tao-te-king, den Upanishaden, dem Koran oder einem anderen geheiligten Buche, dazwischen sind Pausen der Stille, kurze Musikstücke, oder auch Gesänge. Der zweite Teil eines Tempeldienstes besteht aus einem langen Vortrag, von einem Manne gehalten. Oft wird eines der vorher erwähnten Zitate wieder aufgegriffen und gründlich abgehandelt. Oder man gedenkt der Verheißung, die uns nach dem Tode erwarten wird, da wir Schüler ja jetzt allesamt von der ewigen Verdammnis befreit seien. Ab und an wurden auch aktuelle philosophische Themen behandelt, die mich wirklich aufhorchen ließen.
Fuhr ich nach dem Tempeldienst nach Hause, um ein wenig zu essen, mich frisch zu machen und für den sonntäglichen Spätdienst herzurichten, befand ich mich oft genug in einer Art Losgelöstheit, Abgeklärtheit, Entspanntheit, fern von allen Problemen und Sorgen dieser Welt. Um dann während der Arbeit oft genug voll Erstaunen und auch Schrecken feststellen zu müssen, wie unduldsam, intolerant, teilweise auch barsch und sehr unhöflich, ja, arrogant ich werden konnte. Ich war vorher schon der Meinung gewesen, daß man sich im Service bei Weitem nicht alles gefallen zu lassen braucht und hatte mich immer schon mit den rechten Worten gegen ungebührliches Benehmen wehren können, aber was da teilweise ungerechtfertigt aus mir heraus brach, entsetzte mich. Im Nachhinein bin ich der Meinung, daß mein Verhalten großenteils auf der uns in der Schule unterschwellig stets aufs Neue eingeimpften Doktrin fußte, als Mitglied des L.. R… einen besonderen Status inne zu haben, den Status der vom Rad der Verdammnis befreiten, der Erlösten, Erretteten.
Fortsetzung folgt…
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Die staade Zeit… 07. 12. 2008
Vorweihnachtliche Stub’nmusi im “Brückenwirt” im Isartal
Moderation, G’schichtenerzähler: Volksschauspieler Sigi Koller
G’stanzln, Landler und Volksweisen: Die Sagscheider Dirndln und Quirin Kaiser mit seinen Musikanten
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Smokey’s und Niraks Stöckchen… 06. 12. 2008
Grummel, grummel, motz! Eigentlich wollte ich heute ja mal meine Ruhe haben, nachdem ich grade im Badezimmer mit Frauchen so schwer zu schuften hatte. Aber weil mein herzallerliebster Moritz mir dieses Stöckchen zugeworfen hat und Frauchen meine Antworten unbedingt po- po- posten will, na, dann halt meinetwegen…
Sechs unwichtige Dinge, die mich glücklich machen… hm! Hm! … Gibt’s für uns Miezekatzen überhaupt unwichtige Dinge? – Ah, ja!
1. Der komische Geruch in Frauchens Schuhen
2. Die sonderbaren Papiervierecke (Briefkuverts meint Frauchen), die morgens immer durch den Schlitz in der Tür fallen – spannend!
3. Das rote Zeugs in den großen Flaschen, das Frauchen immer säuft – ähem – trinkt, wenn ihr kalt ist. Davon wird sie nämlich sehr lustig.
4. Daß Frauchen sich jeden Ersten über den Kontoauszug freut – macht mich natürlich glücklich, obwohl mir das im Grunde egal ist, mein Fressen bekomm’ ich eh immer.
5. Wenn im Fernsehen Vögel zwitschern und pfeifen – seeehr spannend – aber auch unwichtig. Ich guck’ nämlich oft mal so zur Kontrolle auf und hinter diesen komischen Kasten – und nie sind irgendwelche Piepmätze da!
6. Daß ich mit meiner Raspelzunge Frauchens Füße trocken putzen muß, wenn sie gebadet hat. – Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie man sich so oft freiwillig und sogar voller Freude in so viel nasses (huh!) und heißes (uaah!) Wasser legen kann! Anschließend wickelt sie mich in ihr Badetuch ein und dann muß ich unbedingt eine Runde “nachdenken”, weil ich so erschöpft bin.
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Die Geistesschule (Teil 2)… 04. 12. 2008
… Obwohl ich mir Informationsbroschüren mit nahm, war ich nach diesem Abend gelinde gesagt enttäuscht. Meinen Vorstellungen einer Freimaurervereinigung entsprach das, was ich gehört und gesehen hatte, in keinster Weise. Zudem ging es in meiner Seele eine geraume Weile danach mehr als drunter und drüber. Jenes Ereignis – ich finde kein geeignetes Wort dafür, von Aha-Erlebnis (zu banal) bis Erleuchtung (zu heiligmäßig), nichts kann die erstmalige Wahrnehmung dieses Ewigen Lichtes beschreiben – setzte einen inneren Wandel in Gange, der mir bisweilen während stiller, schlafloser Nachtstunden Angst einjagte. Ich bat flehentlich darum, diesen Prozeß doch wieder rückgängig zu machen – allein, es half nichts. In der Rückschau denke ich, daß ich seinerzeit ganz einfach reif für dieses innerste Türeöffnen gewesen bin, vielleicht hat ein unbeabsichtigt ausgesprochenes Wort, eine Bemerkung als Schlüssel fungiert, wahrscheinlich hätte es sich auch ohne den Katalysator des L… R… vollzogen.
Die Zeit streifte durch das Land und ich fühlte mich nun doch mehr und mehr von jener Geistesschule angezogen. Es war, als existiere zwischen diesen Menschen und mir eine Art mystische Verbundenheit, als vernähme ich einen lockenden Ruf, ein unüberhörbares Signal. So verfaßte ich einen Brief an die sogenannte Zentrumsleitung, in welchem ich ausführlich beschrieb, was mir Großartiges widerfahren war, und zudem darum ersuchte, in den erlauchten Kreis Geistesschüler aufgenommen zu werden. Wochen vergingen ohne die geringste Reaktion. Dann endlich, als ich schon gar nicht mehr damit rechnete, klingelte das Telefon. Am anderen Ende hörte ich eine sehr kultiviert klingende Frauenstimme mit entzückendem Schweizer Akzent, die sich unendlich dafür entschuldigte, mir nicht unverzüglich geantwortet zu haben, aber sie sei leider durch schwere Krankheit verhindert gewesen. Es fiel mir frühers oft sehr schwer, privat unbefangen auf Andere zuzugehen, konnte mich mit jener Dame aber so glänzend unterhalten, als seien wir seit langem einander vertraut. Ich wertete dies als Zeichen, nur kurz darauf fand in den Räumen des L… R… der erste Abend eines zwölfteiligen Einführungskurses in die Lehre der Schule statt, und ich war dabei.
Die Lehre dieser Vereinigung, die sich als christliche Mysterienschule versteht, verbindet gnostisches, theosophisches, anthroposophisches und traditionell christliches Gedankengut. In diesen großen Topf werden – wenn’s paßt – auch schon mal hinduistische, taoistische, buddhistische und muslimische Zutaten hinzu gemengt. Nun ja, warum auch nicht, dies störte mich in keinster Weise, denn im Grunde genommen haben doch alle Religionen einen gemeinsamen Urgrund. Was mir absolut einleuchtete, war eine bis dato für mich völlig neue Sicht auf Jesus und die Neuen Testamente. Diese seien nicht wortwörtlich zu interpretieren, wie unsere christliche Hauptkirche das bis zum heutigen Tage vertritt. Nein, es wäre ursprünglich eine Allegorie gewesen, die verschlüsselte Beschreibung eines Initiationsprozesses einer Seele, welcher die Erleuchtung, Erkenntnis widerfährt (Johannes der Täufer), von der anfänglichen Bewußtwerdung bis zur vollendeten Meisterschaft (Kreuzigung und Auferstehung). Jede Person in diesen Mythologien verkörpere eine der unzähligen Facetten des menschlichen Wesens. – Diese Überzeugung vertrete ich auch heute noch.
Eines der heraus ragenden Hauptthemen der sich über drei Monate hinziehenden Einführung war die Zweiteilung der Welt in eine gute, göttliche (statische) und eine schlechte, irdische, vor allem polare (dialektische), in der die Menschen leben und das Allein-Gute nicht existieren kann, weil es stets den Gegenpol, das Böse, mit sich trägt. Der Mensch ist aber nicht durch und durch der dialektischen Welt angehörig, in sich trägt er einen Funken des göttlichen Lebensprinzips – Geistfunkenatom, Uratom, Rose des Herzens… Jeder Mensch sollte nun danach streben, jenen göttlichen Teil zu befreien, von der irdischen Ordnung in die göttliche zu wechseln. Dazu sei aber eine fundamentale Umkehr, sprich, Wiedergeburt notwendig. Diese Transfiguration wird durch das “Endura”, die Selbstübergabe an die göttliche Welt, erreicht. Das Ich muß aufgegeben und ein Übergehen in das göttliche Selbst angestrebt werden. Damit werde dann der Kreislauf Tod – Leben überwunden. Sehr befremdlich fand ich in jenem Zusammenhang die Erläuterung, der Mensch sei ein kugelförmiges, etliche Meter durchmessendes Gebilde, bestehend aus nicht wahrnehmbaren Energiefeldern, wie eine Zwiebel aus insgesamt sieben Schichten bestehend, der Wesenskern – Gottesfunke – sei umschlossen vom zweiten Kern, dem Körper. Ich tröstete mich aber über mein Unverständnis damit hinweg, daß dies ganz bestimmt auch als Metapher gemeint sei.
Wer sich nicht der Geistesschule anschliesse und demzufolge erleuchtet und erlöst werde, würde nach seinem Tode die sogenannte Zwischensphäre aufsuchen, das, was man so gemeinhin als Jenseits bezeichne. Dort gäbe es Wesenheiten, die sich dem Schicksal fügten und nach Ablauf einer gewissen Frist ein weiteres Mal als Mensch ihr Dasein fristen müßten. Es gäbe auch solche, die ihren Tod und das Hinwegnehmen der erdgebundenen Persönlichkeit nicht akzeptieren könnten und daher auf die Lebenden Einfluß nehmen würden, das würde dann Wunderheilungen und die Vielfalt esoterischer Erscheinungen hervor rufen. Daher sei von allem Esoterischen wie z. B. Astrologie, Channeling, Ufologie und dergleichen Abstand zu nehmen! – Da ich sowieso ein in dieser Hinsicht recht kritischer Zeitgeist bin, war ich damit sehr einverstanden. – Und mußte zu meinem großen Erstaunen im Laufe der folgenden zweieinhalb Jahre feststellen, daß ich mich einer ungemein geballten Versammlung Aber- und Wunder- und Horoskop- und Esoterikgläubiger, Anhänger jeglichen Hokuspokus zugesellt hatte. – Ich bin trotz meiner vielleicht allzu pragmatischen Sicht der Dinge jedoch felsenfest davon überzeugt, daß unsere Sinne mehr als begrenzt sind und wir damit nur einen Bruchteil dessen wahrnehmen, auch messen können, was sich auf dieser Welt mitsamt Universum tatsächlich abspielt.
Was mich sehr störte, war die Inanspruchnahme der Ausschließlichkeit. “Wer nicht Teil der Geistesschule, ihrer Mysterien und Lehren wird, dem bleibt die Erlösung vom ewigen Rade aus Leben – Tod – Leben versagt.” – “Ich habe einen guten Freund, er kümmert sich seit mehr als dreißig Jahren aufopfernd um seine seelisch kranke Frau. Wer so sehr seine eigenen Bedürfnisse hintanstellt und dermaßen loyal und fürsorglich ist, dem ist doch bestimmt auch die Erlösung sicher, nicht wahr?”, warf ich während einer kurzen Diskussion ein. Und erhielt zur Antwort: “Ja, sofern er ein Schüler des L… R… wird, in jedem Fall. Aber nur dann ist es ihm in diesem Leben vergönnt.” – Aber ich war zu diesem Zeitpunkt schon dermassen von einer unterschwelligen Anziehung gefesselt, daß ich diese – nüchtern betrachtet ungemein arrogante – Aussage ohne jegliches Hinterfragen hinnahm.
Das Ende des Einführungskurses nahte und wir (eine kleine Handvoll Interessierter, die durchgehalten hatten) wurden vor die Wahl gestellt: Die zwölf Abende völlig unverbindlich noch einmal zu wiederholen, sich als sogenanntes Vorhof-Mitglied auch ohne jegliche Verpflichtung zu einem geringen Monatsbeitrag registrieren zu lassen (dann blieben einem jedoch die sogenannten Zentrums-Tempeldienste sowie etliche Veranstaltungen verwehrt) oder aber sich zu einer dreimonatigen Probezeit zu verpflichten, nach deren Ablauf man als Vorbereitender Schüler aufgenommen werden würde. Und dazu entschloß ich mich ohne groß zu zaudern – wenn man die zwei mit viel Nachdenken und Grübeln verbrachten Tage und Nächte vorher nicht dazu zählt…
Fortsetzung folgt
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Sechs unwichtige Dinge, die mich glücklich machen… 04. 12. 2008
Shout out those who tagged you. List 6 unimportant things that make you happy. State the rules and tag 5 other blogs. Leave a comment letting the 5 blogs know they have been tagged.
1. Der Gesang einer Amsel am frühen Morgen
2. Der Duft von frisch gebackenem Brot aus der Bäckerei nebenan
3. Kerzenlicht
4. Ganz kleine Kinderhände, die nach meinen Fingern grapschen
5. Wirbelnde Schneeflocken
6. Die Wolke meines Atems in der klaren Winterluft
(Da ich noch nicht gar so viele Links auf meinem Blog habe, bitte ich darum, das Stöckchen selbst abzuholen)
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Die Geistesschule (Teil 1)… 03. 12. 2008
Seit jeher haben mich Spiritualität, Mystik und Mythologien interessiert. Allerdings wußte ich mit der vorherrschenden christlichen Konfession, deren – unfreiwilliges – Mitglied ich Dank Taufe, Heiliger Erstkommunion und Firmung war, an sich recht wenig anzufangen, wenn man von einer kurzen religiösen Ergriffenheit absieht, die mich im Alter von ungefähr Zwölf einem Fieberschauer gleich beutelte. Obwohl mit einer beträchtlichen Fantasie gesegnet fiel es mir als Kind schon schwer, die in der Bibel geschilderten Wunder oder die Unbefleckte Empfängnis nach zu vollziehen. Oder aber auch diesen omnipräsenten Beobachter namens Gott, im Himmel thronend und jeden Fehltritt, jede sogenannte Sünde eines jeden kleinen Menschleins zur Kenntnis nehmend und maßregelnd.
Als ich so gut Mitte Zwanzig war, erschien der Bestseller “Der Heilige Gral und seine Erben”. Ich verschlang dieses Werk schier in einem Atemzug. Die Autoren Lincoln, Baigent und Leigh waren meines Wissens so ziemlich die Ersten, die öffentlich, von einer unzähligen Leserschar beachtet, respektlos an die Fundamente der Katholischen Kirche klopften und die vordiktierte Auslegung der Neuen Testamente anzweifelten. Ganz besonders fesselten mich die im Buche vielfach erwähnten Freimaurer. Allein der Name, der Zusammenhang mit geheimem Wissen und verborgenen Ritualen machten mich wohlig schaudern – und neugierig…
… Viele Jahre später arbeitete ich in einer kleinen Wirtschaft nahe des Nymphenburger Schlosses. Mein täglicher Weg zur und von der Arbeit führte von der Trambahn-Haltestelle eine viel befahrene Hauptstraße entlang und vor Querung des Schloßkanals unter einer Leuchttafel durch, ein wenig wie ein Firmenschild wirkend, welche mich stets stutzen machte. Es war ein goldfarbenes Zeichen: Ein Dreieck ruht in einem Quadrat, umschlossen von einem Kreis. “Das ist ein Freimaurer-Symbol!”, teilte ich voll der überschäumenden Begeisterung, die mir zu Eigen ist, einem guten Freunde und Arbeitskollegen mit, “das will ich Kontakt aufnehmen! Da möcht’ ich wissen, was bei denen dahinter steckt!” Ich hatte kurz zuvor Luigi Ranieri’s Dokumentation “Die Loge” gelesen, in welcher dem Anschein nach sehr offen und auch detailliert über die Entstehung, die Rituale und die Mythologie der Freimaurer berichtet wird. Doch irgend etwas hemmte stets meinen Tatendrang…
… Ich unterzog mich seinerzeit seit etwa einem halben Jahr einer Psychotherapie, um die durch einen Mißbrauch in meinen frühen Jugendtagen hervor gerufenen Komplexe und Neurosen heilen zu lassen. So bat ich während einer Gesprächsstunde meine Therapeutin, zu der ich vollstes Vertrauen hatte – immer noch habe – um Rat. “Es ist das Symbol einer sogenannten Geistesschule. Ich möchte mir das so gerne einmal ansehen.” – “Dann tun Sie das. Vielleicht hilft Ihnen der Kontakt mit den Menschen dort. Es ist wichtig für Sie, daß Sie lernen, von sich aus unbefangen auf Andere zuzugehen.” Unweit des Leuchtschildes befand sich seitlich am Gebäude eine schmiedeeiserne Pforte, welche in der Regel verschlossen war, und daneben ein Schaukasten, in welchem die öffentlichen Aktivitäten dieser Geistesschule Monat für Monat bekannt gegeben wurden. “Offener Gesprächsabend am…” Am kommenden Dienstag. Da hatte ich frei. Die Gelegenheit passte. Allerdings mußte vorher noch etwas geklärt werden. In “Die Loge” war ausgeführt, daß immer noch, auch im einundzwanzigsten Jahrhundert, nicht alle Freimaurerischen Vereinigungen Frauen in ihren Reihen dulden. Ich notierte mir die auf dem angeschlagenen Zettel angegebene Telefonnummer und rief noch am selben Abend an, “sprach” aber immer und immer wieder nur mit einem Anrufbeantworter.
Es war der bewußte Dienstag. Ich fasste mir ein Herz, hol’s der Fuchs, wenn keine Frauen erwünscht sind, dann werden sie mich halt wieder weg schicken!, und betrat pünktlichst zur angegebenen Uhrzeit die weitläufigen Räume des L… R… Nur Wenige schienen sich dort aufzuhalten. Unweit der Eingangstür wurde ich von einem noch recht jungen, bärtigen Mann und einer kleinen, zierlichen Dame mittleren Alters ausgesprochen freundlich begrüßt. Was mir an den Beiden auf der Stelle auffiel, waren ihre wunderschönen, sehr sanft, sehr milde blickenden, leuchtenden Augen. Es schien, als würde ein inneres Licht aus ihnen strahlen.
An diesem offenen Gesprächsabend nahmen – zu meiner gelinden Enttäuschung – nur etwa ein knappes Dutzend Interessenten teil, allein beinahe die Hälfte davon entpuppten sich im Laufe der eineinhalbstündigen Diskussion als Angehörige der Geistesschule. Das Hauptthema war unser Verständnis, unsere Vorstellungen von Gott. Ich beobachtete und lauschte, ohne mich groß an den Unterhaltungen zu beteiligen. Dann fühlte ich mit absoluter Gewissheit, wie sich in meinem Innersten ein unglaublicher Wandel vollzog. Was sich da in meiner Seele abspielte, kann ich mit Worten nicht wirklich beschreiben. Es ähnelte grob gesagt dem Öffnen einer Tür, dem Wahrnehmen eines unglaublich schönen Lichtes und dem Gewahrwerden einer unumstößlichen Tatsache: Gott IST. Ich durfte den Bruchteil einer allumfassenden Wahrheit erkennen (zu mehr sind wir Menschlein auch gar nicht fähig). Diese Tür ist bis zum heutigen Tage geöffnet, sie wird sich nie wieder schließen, dieses Licht und diese Wahrheit sind immerdar…
Fortsetzung morgen.
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Das Blaue Wunder… 18. 11. 2008
Nach den bayerischen Wahlen rief ich triumphierend meinen – da noch lebenden – Vater im Krankenhaus an: “Hurra! Die Schwarzen haben endlich einmal eins auf die Mütze bekommen!” Papa, bis zuletzt geistig rege und stets politisch interessiert, grummelte nur: “Freu dich nicht zu früh. Wir werden allesamt noch unser Blaues Wunder erleben. Das dicke Ende kommt noch.”
Seit diesem Wochenende gebe ich ihm gerne recht. In den vergangenen zwei Monaten war ich mehr und mehr davon überzeugt, daß die Wahl Horst Seehofers zum Ministerpräsidenten Bayerns eine Verlegenheitslösung darstellte. Von all den ungeeigneten und profillosen Kanditaten schien er den “schwarzen” Lobbyisten noch der erträglichste zu sein. Oh, weh! Wie recht ich hatte! Dieser unser Landesvater schlägt doch allen Ernstes vor, die Europäischen Richtlinien zum Klimaschutz zu lockern, um die Wirtschaft – sprich, Autoindustrie! – anzukurbeln! Ja, ist denn der Mensch noch zu retten! Wer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist und auch nur einen Bruchteil an Verantwortungsbewußtsein für diese und vor allem die kommenden Generationen besitzt, würde doch nie und nimmer solche Worte in den Mund nehmen! Wie wenig muß ein Mensch über seinen eigenen Tellerrand – und den seiner Gönner und Unterstützer! – hinaus denken, um einen derartigen Plan allen Ernstes zu unterbreiten!
Nach uns die Sintflut – im wahrsten Sinne des Wortes – nur, damit wir unseren wirtschaftlichen Standard halten können und unsere Großkonzerne weiterhin Millionen und Aber-Millionen an Gewinnen einfahren? Das ist – nur mal so am Rande bemerkt – die Summe, die nach Abzug aller Unkosten, einschließlich Lohn- und Gehaltsaufwendungen, unterm Strich übrig bleibt! – Und wem kommt dieser Reibach zugute? Dem “kleinen” Arbeiter wohl kaum, außer, daß er die nächste Zeit nicht um seinen Job bangen muß (Vielleicht! Vielleicht werden seine und tausende andere Stellen aber auch rationiert, damit der Reibach noch größer wird!) – Was ist denn so schlimm daran, wenn unsere Wirtschafts-Statistiken einmal ein oder zwei Jahre lang mit Plus-Minus-Null abschließen? Immer schneller, immer höher, immer weiter, immer mehr, und immer mehr, ist eine solche Einstellung in unserer Zeit – fünf vor Zwölf! – überhaupt noch vertretbar?
Wer heutzutage noch nicht erkannt hat, daß das Umweltbewußtsein allerhöchste Priorität besitzen sollte, ist an der Spitze des größten deutschen Bundeslandes fehl am Platze. (Ich mag gar nicht daran denken, was da noch auf uns zukommen wird!) Wer über Milliarden an Subventionen für die kränkelnde Autoindustrie nachdenkt und immer noch nicht begriffen hat, daß der Arbeitsmarkt der Zukunft in der Umwelttechnologie zu finden ist, hinkt unserer Zeit mit ihren mehr als drängenden Problemen und Konflikten schon sehr hinterher. Dies gilt genauso für die ewig lamentierenden Schwarzmaler in den Medien. Fördert alternative Energien, fördert die Umweltforschung, die Entwicklung neuer, von fossilen Brennstoffen unabhängigen Fortbewegungsmitteln, fördert die Bildung, das Umdenken – und nicht ein einziger Arbeitsplatz wird verloren gehen (und unsere Wirtschaft einen Aufschwung sondergleichen erleben!).
Wer nach wie vor seine Karten auf VW, Mercedes, Opel, Ford etc. setzt, hat ein Verliererblatt auf der Hand. Hallo! In sehr absehbarer Zeit geht uns der Sprit aus! Für immer und alle Zeit! Außerdem, sieht denn niemand von “dort oben” in unseren Regierungen, daß der Markt bereits gestättigt ist? Laut neuester OECD-Studie, ich habe das in meinem Artikel “Verkauft man uns für dumm?” bereits angesprochen, ist in jedem fünften deutschen Haushalt ein Arbeitsloser bzw. Hart-IV-Empfänger zu finden, obwohl uns weisgemacht wird, daß die diesbezüglichen Statistiken so gut aussehen wie seit langen Jahren nicht mehr. Wer, bitteschön, soll sich denn noch einen Neuwagen leisten können? Einer von den unzähligen Geringverdienern, der mit fünf Euro netto die Stunde nach Hause geht? Jemand aus der Mittelschicht, ein Kleinunternehmer, der von den Behörden dermaßen geschurigelt wird, daß er nicht einmal in Ruhe ein Kundengespräch führen darf, wenn die Herren vom Finanzamt zur Kontrolle sich die Ehre geben? Eine allein erziehende Mutter? Eine Rentnerin, der zum täglichen Leben nicht mehr als hundert Euro monatlich bleiben? Einem Arbeiter in der Autobranche, dem die Kurzarbeit – und somit Lohnverlust (trotz aller gegenteiliger Beteuerungen) droht?
Ein offenes Geheimnis: In den jeweiligen Länderregierungen arbeiten jährlich bis zu 3.000 Praktikanten namhafter industrieller Großunternehmen. In Horst Seehofers Umfeld scheinen sie besonders tatkräftig am Wirken zu sein…
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Seelenbalsam Kreativität… 15. 11. 2008
Im großen Saal unserer Wirtschaft gastieren während der Herbst- und Wintermonate abwechselnd zwei Bauerntheater-Gruppen. Es sind dies durchweg Laien, die eigenhändig alle ihre Stücke verfassen, Kulissen bauen, für die Technik, hausgemachte Musik und die Garderobe sorgen, Spezialeffekte kreieren, Regie führen, als Maskenbildner/in tätig sind, zudem noch die Werbung gestalten und den Kartenverkauf organisieren. Einer meiner Kollegen kann nach der Spätschicht keine Ruhe finden, wenn er nicht mindestens eine Stunde lang Gitarre spielt, ein anderer verfaßt in seiner Freizeit Gedichte für diverse Festivitäten, zur Jubelfeier seines betagten Vaters entstand eine Art Ode mit achtzig Versen. Ein befreundetes Ehepaar schreibt seit mehr als dreißig Jahren Essays, Theaterstücke und Romane, die beiden haben vor gut einem Jahr ihren eigenen Verlag gegründet. Tante Inge zaubert aus leeren Seifenschächtelchen, Resten von Borten, Bordüren und alter Postkarten Pillendöschen und Schmuckschatullen, wahre Kleinodien. Mein Vater schuf in seinem ehemaligen Arbeitszimmer eine beeindruckende elektrische Eisenbahn, in die Gestaltung der Landschaft bezog er das Mobiliar mit ein, in gewagten Konstruktionen schlängeln sich die Gleise über Schrank, Schreibtisch, Regal und Fensterbrett hinweg, der Türrahmen wird mittels einer akribisch ausgetüftelten Hänge-Zug-Brücke überspannt. In den knapp zehn Wochen meiner Tätigkeit als Bloggerin habe ich mich, meiner natürlichen Wißbegierde folgend, munter bei WordPress umgetan und eine schier überbordende Vielfalt an künstlerischen Schöpfungen entdeckt, von eigenhändig verfaßten Kochbüchern, poetischen Ergüssen, kritischem Journalismus bis hin zu Katzen-Tagebüchern, selbst in Szene gesetzten Trickfilmen, geschicktesten Fotomontagen und sogar Kurzfilmen. Meine Wenigkeit pflegt das Spiel mit den Worten seit dem zehnten Lebensjahr.
Mir scheint, als erführe – neben dem dumpf-drögen Dahinvegetieren vor der täglich kontinuierlich betäubenden Glotze – das Ausleben des eigenen Schöpfertums eine Renaissance schlechthin. Warum ist das so? Nun, ein Hauptgrund besteht meiner Meinung nach darin, daß die menschliche Seele in der eigenen Kreativität eine Art Ausgleich sucht, einen Freiraum, ein Mittel, die Balance zu halten, genauso wie es des Nachts der Zweck unserer Träume ist. In unserem Alltagsleben wird unsere Individualität, unsere zutiefst menschliche Freiheit doch mehr und mehr beschnitten, uns wird vorgeschrieben, wann wir aufzustehen haben, wann wir in die Arbeit müssen, Fahrpläne reglementieren unsere Fortbewegung, man setzt Zeiten fest, in welchen wir zu essen haben, wir können nicht einfach die Koffer packen und ins Blaue fahren, solche Aktionen werden von den Urlaubszeiten vorgegeben. Der Katalog der Gesetze, die uns vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben, wächst und wächst und wächst ins schier Unermeßliche. Maschinen ersetzen zunehmend unsere Hände, die am genialsten konstruierten Werkzeuge überhaupt. Das Maß unserer Fingerfertigkeiten wird genauestens bestimmt, eine Schraube hier festdrehen, ein Teil dort einpassen, hier eine Nut verschweißen, unter dieses Schriftstück einen Stempel drücken… Gibt uns das überhaupt noch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, etwas mit unseren Händen, unserem Geist, unserer Seele entstehen zu lassen, zu ERSCHAFFEN? So, wie es vor der Industrialisierung, der Globalisierung über Jahrzehntausende hinweg eine menschliche Selbstverständlichkeit war? Als ein Handwerk noch einen sogenannten Goldenen Boden hatte. Als ein Schrank geschreinert, ein Haus mühevoll Ziegel auf Ziegel erbaut werden mußte, die Ernten noch nicht von vollautomatischen Maschinen eingebracht wurden, als es noch keine Fertigmischungen gab und ein Kuchenteig ohne elektrische “Küchenhelfer” eigenhändig zubereitet werden mußte (auch das ist eine Kunst!).
Ich bin davon überzeugt, daß die Kreativität, der Ausdruck des Selbstes mit dem eigenen Kopf, den eigenen “vier Buchstaben” in jedem von uns vorhanden ist, zum Leben so notwendig ist wie Essen, Trinken, Schlafen, Lieben. Sie ist auf ewig in uns verwurzelt, in uns eingepflanzt. In jedem von uns ist ein kleiner Funke des unnennbaren, ewiglich unbegreifbaren Schöpfergeistes am Glimmen. Und dieser verlangt nach einer Form, sich mitzuteilen, nach dem so notwendigen Freiraum der Seele. Und der damit einhergehenden Selbstfindung und -bestätigung. Jeder Mensch birgt einen Quell der Phantasie in sich, das Talent zum Malen, Musizieren, Fotografieren, Mimen, Tanzen, Filmen, Basteln, Formen, Dichten, Werken, die Fähigkeit, eigenen Schöpfungen den höchst persönlichen Lebenshauch zu verleihen.
Ich bin keine von den “Ewig-Gestrigen”, da würde ich mich als begeisterte Bloggerin ja selbst Ad absurdum führen. Doch ich bin der Meinung, daß die zunehmende Automatisierung, Anonymisierung und Industrialisierung, die uns kontinuierlich weg führt vom “Hand-Arbeiten”, dem schöpferischen Ausdruck unserer Seelen, unseres Intellektes, keinen Fortschritt zur Folge hat, sondern einen gefährlichen Rückschritt. Weg von dem, was Menschsein im Grunde genommen bedeutet.
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Nächtliches Straßentheater… 13. 11. 2008
Es scheint eine Randerscheinung des Nichtraucher-Schutzgesetzes zu sein.
Nur einen Steinwurf von meinem Domizil entfernt befindet sich ein kleines Lokal, das vor ungefähr einem Jahr eröffnet worden ist. An den Schaufenstern ist groß “Bar- Pizzeria – Cafe” zu lesen, an der Eingangstüre prangt ein Schild, eine Aufforderung, zu fortgeschrittener Stunde leise zu sein, damit das gute Verhältnis zur Nachbarschaft nicht getrübt werde. Darunter mindestens zwanzig Mal das schöne Wörtchen “Bitte, bitte, bitte…” Das Traurige jedoch ist, daß dieser Hinweis kaum Beachtung findet.
Eine etwas eingeschlafene Kunstrichtung hat rasanten Aufschwung genommen, seitdem das Nichtraucher-Schutzgesetz in Kraft getreten ist: Das Deklamieren. Das nächtliche Inszenieren von “Straßentheater”. Die Bühne: Der Kneipen-Vorplatz, ausgestattet mit einigen recht großen Steh-Aschenbechern, die bei jeder Witterung, auch bei Trockenheit und sommerlichen Temperaturen, ausgefahrene Markise verstärkt einem Schalltrichter gleich das gesprochene Wort vortrefflich. Die Zuschauerränge: Die steilen Fassaden der ringsum aufragenden Häuser. Bevorzugte Spielzeit: Nach Mitternacht, wenn Herr und Frau Normalo sich zu Bett begeben, um Ruhe und Schlaf zu suchen. Wenn die Dauerberieselung der Alltagsgeräusche verstummt. Die Themen: Meist irgendwelche Belanglosigkeiten, Beziehungsanekdoten, ein- und zweideutige Witzeleien, Großspurigkeiten. Die Protagonisten: Ein/e Wortführer/in, meist so Mitte bis Ende Zwanzig samt Anhang. So aus der “hippen” Gesellschaft halt, deren vom wahren Leben noch ungeprägte Gesichter man zum Beispiel in den “Lokalisten” zuhauf bewundern kann.
Deklamiert wird stets in gehobener Lautstärke, der Anhang quittiert jeden “gelungenen” Beitrag mit Rufen, Gellen, kreischendem Gelächter. Ich war selber Raucherin, eine Zigarettenlänge dauert in der Regel fünf bis sieben Minuten, je nachdem, ob man hektisch pafft oder mit Genuß. Das “Straßentheater” jedoch zieht sich hin ohne Ende, manchmal sogar bis in die frühen Morgenstunden. Grade angesichts der zunehmend winterlichen Außentemperaturen fragt sich der gesunde Menschenverstand, warum diese Leute sich nach dem Schmauchen nicht wieder in die warme Kneipe zurück ziehen. Drinnen läßt sich’s doch weitaus gemütlicher palavern als auf der zugigen und klammen Straße. Ist es tatsächlich – ich kann’s kaum glauben! – die Geltungssucht, die jene Zeitgenossen laut lärmend draußen ausharren lassen? Der Genuß am Erregen von Aufmerksamkeit, auch wenn’s negative ist?
Ist es Gedankenlosigkeit? Rücksichtslosigkeit? Intoleranz? Gepaart mit enthemmendem Alkohol? – Schon wieder selbstgefälliges Deklamieren, Rufen, Gellen, kreischendes Gelächter. Ein Uhr nachts ist vorbei. Drinnen hämmert der neueste Nummer-Eins-Hit. “Geh, Arri, mach’ doch die Musik ein bißchen lauter! Das ist unser Lieblingssong!” Weit wird die Kneipentür aufgerissen. Takte eines jener seelenlosen, lieblosen Pop-Massenartikel, austauschbar allesamt, wogt nach draußen, untermalt die nächste Szene “Straßentheater”. Egal, ob hinter einem der dunkel verhangenen Fenster gegenüber ein kleines Kind mit dem Fieber kämpft, ein Greis immer wieder aus seinem brüchig gewordenen Altersschlaf aufschreckt, der scharf gestellte Wecker eines Arbeiters den Strom der Zeit in kleinste Stücke hackt. – Was schert uns das! Wir sind “hipp”, wir wollen “fun”!
Vor einigen Wochen habe ich zufällig mitangehört, wie der Wirt des beschriebenen Etablissements sich vor einigen jungen Mädels großtat: “Das wird auch wirklich Zeit, daß in diese Straße ein bißchen mehr Leben kommt!” Das sehe ich nicht so, nein. Hier war und ist eine Wohngegend, keine Party-Zone. Hier haben wir tagsüber eine gut funktionierende Infrastruktur, und wahrlich pralles Leben – und nachts wollen wir ungestört schlafen und zur Ruhe kommen!
Drei Uhr morgens. Der letzte Vorhang des nächtlichen “Straßentheaters” fällt. Jetzt habe ich noch vier ungestörte Stunden bis zum Aufstehen…
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Rabauken im Mönchshabit… 10. 11. 2008
Das für mich Denkwürdigste an den gestrigen Nachrichten war ein kurzer Bildbericht über eine Horde armenisch- und griechisch-orthodoxer Mönche, welche sich in der Jerusalemer Grabeskirche eine furiose Prügelei lieferten. Mir traten schier die Augen aus den Höhlen, ich konnte kaum glauben, was ich da zu sehen bekam. Zeitgenossen, die sich von den Verlockungen und Ablenkungen (Sünden?) der Welt zurück gezogen haben, um die angebliche Botschaft Gottes und seines eingeborenen Sohnes Jesus zu verinnerlichen, droschen in einem der geheiligsten Bauwerke der Christenwelt aufeinander ein, als würden sie eine ordinäre Kneipenschlägerei austragen. Worum es ging? Um die jeweiligen Besitzansprüche an jener Kirche.
Da frage ich mich nun schon, inwieweit diese “Gottesmänner” trotz aller Studien und Kasteiungen überhaupt verstanden haben, wovon in der Bibel denn die Rede ist. “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst” zum Beispiel. Angesichts etlicher zu Brei gehauenen Gesichtern, ausgeschlagenen Zähnen und gebrochenen, wüst blutenden Nasen entsteht schon der Eindruck, daß jene Mitmenschen den Sinn allein dieser Worte in keinster Weise in ihre Herzen geschrieben haben. Ebenso wenig die unzähligen weiteren Aufforderungen Jesus Christus zu Friedfertigkeit, Achtung und Respekt vor dem Anderen sowie Selbstbeherrschung. Von überlegtem, intelligentem, sprich, zivilisiertem Verhalten, das uns der Menschensohn ebenso eindringlich nahe gelegt hatte, ganz zu schweigen.
Und das alles wegen der Nutzung eines Bauwerks! Kraß ausgedrückt, wegen einer Handvoll Ziegeln und Mauerwerk! Ebenso gänzlich unbekannt scheint da noch eine weitere gewichtige Aussage aus den Evangelien zu sein: “Das Königreich Gottes ist euch näher, als eure Hände und Füße es sind.” Der schönste und wahrhaftigste Tempel des Allmächtigen befindet sich demnach in unserer Seele, in unserem Wesenskern und hat keine Gebäude, keine Reliquienschreine, keine Altäre, keinen Prunk und Popanz nötig. Die ganze Sinnlosigkeit dieser beschämenden Auseinandersetzung kommt dann erst so richtig zum Tragen, wenn man sich vor Augen führt, daß ja eigentlich die niedergeschriebene Lebensgeschichte Jesus’ nicht die Biographie und das Wirken eines reell existierenden Menschen beinhaltet, sondern ein Gleichnis ist, mithilfe dessen der Wandel einer Person vom Ahnenden, dem quasi “ein Licht aufgeht” – versinnbildlicht durch Johannes des Täufers – bis hin zum Erleuchteten, Wissenden – Jesus, der Christus nach der Auferstehung – geschildert wird. Sämtliche in der Bibel agierenden Gestalten verkörpern eine der unzähligen Facetten einer sich läuternden Seele, ich habe diese Thematik bereits in meinem Text “Eine andere Perspektive…” angesprochen.
Konfrontiert mit derartigen Geschehnissen wie der gestrige wüste Faustkampf in der Jerusalemer Grabeskirche wird mir erneut in aller Wucht bewußt, welch unheilvolle Auswirkungen dieses seit dem Konzil von Nizäa währende Mißverständnis in der Auslegung der Neuen Testamente immer und immer wieder nach sich gezogen hat. Davon abgesehen, daß die Aufzeichnungen jenes Eklats dank modernster Technik sicherlich weltweit zu sehen waren und auf die Christenheit, die größte Religion weltweit, absolut kein Ruhmeslicht geworfen haben dürften. Blamabel ist so etwas, ausgesprochen blamabel, widerlich und ekelerregend. Wen wundert’s angesicht solcher Szenen, daß das Christentum nachweisbar seit seiner Entstehung das mit Abstand brutalste, blutigste und gewalttätigste Glaubensbekenntnis ist, da landet der grade in jüngster Zeit so sehr verteufelte und angeschwärzte Islam weit ferner liefen.
Es gibt Gottesmänner, Priester, Prediger, Mönche, die durchaus verstanden haben, was uns der Gekreuzigte so sehr ans Herz legen wollte. Diese möchte ich mit allem Nachdruck von meiner Ausführung ausnehmen, ihnen gebührt meine Hochachtung und mein Respekt. Die anderen jedoch, die um ihre Pfründe schachern, keinen blassen Schimmer vom Ernst, der inneren Verpflichtung und der Schönheit des Begriffes Christentum haben, obwohl sie die Soutane oder das Habit tragen, die Kinder mißbrauchen (… Sehet zu, daß ihr nicht jemand von diesen Kleinen verachtet…), Ränke und Intrigen schmieden (“Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten”, “Deine Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein”!), die Fundamentalisten, Rassisten, Aufhetzer – nein, ich spreche das jetzt nicht aus, da schweigt des Sängers Höflichkeit…
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Was bringt’s dir… 09. 11. 2008
Wenn mich etwas interessiert oder gar begeistert, kann ich – obwohl ansonsten recht schweigsam – ausgesprochen mitteilsam sein. So auch nach der amerikanischen Wahlnacht, die ich ja wahrlich komfortabel und angeregt im Amerikahaus verbracht hatte. Einige Tage später saß ich im Kreise meiner Arbeitskollegen und ließ mich über den Wandel in der internationalen und amerikanischen Politik aus, der durch Barack Obama in Gang gesetzt werden könnte. Da musterte mich der mir gegenüber sitzende Roland aus seinen mädchenhaft dicht bewimperten, haselnußbraunen Augen und würgte meinen Monolog mit dem Einwurf ab: “Ja, und was bringt dir’s?” Völlig aus dem Konzept geraten und unfähig, auch nur ein weiteres Wort zu äußern, saß ich wie vom Donner gerührt da.
Auf dem Heimweg wurde ich sehr nachdenklich, ja, geradezu grüblerisch. Was bringt mir diese leidenschaftliche Neigung, welche sich bereits in meiner frühen Kindheit gezeigt hatte, meine Wißbegierde mit einer breit gefächerten Vielfalt an Themen zu stillen? Was habe ich davon?
Ungemein viel, so lautet nun die Antwort, nämlich Freude! Spaß! Ich liebe es, zu lernen, in vielerlei Hinsicht. Erfahre ich neues Wissenswertes, kann ich dieses Hochgefühl sogar körperlich wahrnehmen, es kribbelt auf meiner Kopfhaut und die Haare stellen sich auf, es prickelt in meinen Augen und Ohren, ich habe dann den Eindruck, daß diese größer, immer größer, immer größer werden, um nur ja kein Detail zu verpassen! Ja, es geht mir vor allem um dieses Entzücken, dieses Wohlbefinden. Ich lerne nicht dazu, um mit meiner – immer noch ausgesprochen unzulänglichen – Bildung zu prahlen, mit einer gewissen Eloquenz anzugeben und zu blenden. Ich habe auch nicht die geringste Intention, meine angesammelten Wissensschätze in klingende Münze zu verwandeln.
Was bringt dir’s? Außer viel Freude auch noch ein ausgefülltes Leben. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal gelangweilt in einer Tüte Kartoffelchips herum stochernd, eine Flasche Bier in der Hand auf dem Sofa geflegelt habe, um mich mit Schmalspurkost aus der Glotze überfluten zu lassen. Das gibt mir nichts. Das ist mir zu platt, zu hohl. Da hätte ich das Gefühl, mein Dasein zu vergeuden. Mir wurde – von welcher Instanz auch immer – die Verantwortung zugeteilt, aus dieser einen Existenz das Beste zu machen. Dazu gehört in jedem Fall, die mir so großzügig geschenkten Anlagen und Fähigkeiten nicht verkümmern zu lassen. Das bringt mit sich, daß ich mich verpflichtet fühle, stets an meinem Selbst-Bewußtsein zu arbeiten, den Fortbewegungs-Apparat, in welchen man mich gesteckt hat, zu pflegen und zu achten, und vor allem – nebst meinem Herzen das Wichtigste – meine Handvoll grauer Zellen in Schwung zu halten.
“Man lernt nie vergebens”, diesen uralten Spruch schreibe ich mir gerne auf die Fahnen. Solch eine Einstellung macht natürlich auch in gewissem Sinne einsam. Ich kann bei den stundenlangen Diskussionen über eine der unzähligen Kochsendungen nicht mithalten. Auch zu “DSDS” weiß ich nichts zu sagen, genauso wenig über diese neueste Doku-Show, in welcher einer Handvoll Zeitgenossen eine völlig unzureichende Summe zur Verfügung gestellt wird, um einen gastronomischen Betrieb zum Laufen zu bringen. Als eine Arbeitskollegin mich fragte: “Läßt du dir die Folge heute auch aufzeichnen?”, verneinte ich achselzuckend. Worauf sie entrüstet die Augenbrauen hoch zog: “Aber das muß man doch seh’n, da fliegen doch heut die ersten Looser ‘raus!” Nein, danke. Ein gutes Buch, eine schöne Reisereportage, ein populär-wissenschaftliches Magazin im Fernsehen, eine messerscharfe Polit-Sendung, oder niveauvolles Kabarett haben mir weitaus mehr zu bieten. Und natürlich die ungezählten Blogs hier im Internet mit einer schier nicht zu bewältigenden Fülle an Interessantem, Bewegendem, Wissenswertem.
Was bringt dir’s? Den Spaß an der Freud’ bringt’s! Mich bringt’s, mit Haut und Haaren!
Gedanken über den Hype… 06. 11. 2008
Ein wahrhaft “denglisches” Schlagwort, nicht wahr? Heutzutage in aller Munde, übersetzbar vielleicht so: “Mit Hilfe modernster Kommunikationsmittel künstlich aufgebauschtes, aktuelles Thema”. “Hypes” haben – so erweckt es den Eindruck – mittlerweile Suchtfaktor. Was hat es im Verlauf der letzten Monate nicht für “Hypes” gegeben! Die Fußball-Europameisterschaft. Die Bankenkrise. Und brandaktuell: Der Obama-“Hype”.
Man fragt sich nach dem Warum. Nun, in allererster Linie läßt sich mit kontinuierlichen, balkendicken Schlagzeilen und Meldungen ungemein viel Geld verdienen! Stellt euch vor, jede Zeitung, jeder Fernseh- oder Rundfunksender müßte sich beim Kolportieren der neuesten Nachrichten und Katastrophenmeldungen mit unkommentierten, absolut objektiven und wahrheitsgemäßen Fakten begnügen. Die weltweiten Geschehnisse dienten keineswegs mehr dazu, stundenlange, oftmals quälende Diskussionsrunden und Talkshows zu initiieren. Da würden doch die Einschaltquoten und Verkaufszahlen binnen Kurzem in den Keller rasseln! – Zudem kann mit “Hypes” sehr gut unsere Aufmerksamkeit von unliebsamen politischen, auch fragwürdigen Entscheidungen abgelenkt werden. Beispiel: Während vor ungefähr einem Jahr der “Hype” um das Nichtraucher-Schutzgesetz auf vollen Touren lief, wurde in vielen Bundesländern das Bürgerrecht auf Widerspruch völlig unbemerkt gekippt. Das heißt, wenn wir heute beim Studieren einer behördlichen Entscheidung, z. B. der Höhe der monatlichen Auszahlung von ALG II, feststellen, ah, da ist der Wurm drin!, ist es uns als Bürgerinnen und Bürger einer demokratischen Republik nicht mehr gestattet, behördlichen Widerspruch einzulegen! Wollen wir uns nun gegen bürokratische Fehlentscheidungen und Schlampereien zur Wehr setzen, müssen wir den Weg über die gerichtlichen Instanzen einschlagen – und das kann teuer und langwierig werden! – Als 2006 die Fußball-WM uns allesamt gefangen nahm, wurde in Berlin klammheimlich der Werbungskostensatz für unsere Abgeordneten um einen saftigen Prozentsatz aufgestockt. Ich frage mich nun schon seit einer Weile sehr gespannt, was uns während des Bankenkrisen-“Hypes” still und leise untergejubelt wurde. Vielleicht die unbequemen Details des sogenannten “Gesundheitsfonds”, der ja doch recht still und ohne nennenswerte Protestkundgebungen verabschiedet worden ist?
So ein “Hype” dient auch natürlich ungemein gut dazu, den eigenen, hausgemachten Problemen und Schattenseiten keine Aufmerksamkeit zu widmen. Wer wutschnaubend und mit rollenden Augen anklagend auf “die Verbrecherbrut” von überbezahlten Managern, Banken- und Konzernchefs geifert, vergißt nur allzu gerne, sich um die Leichen im eigenen Keller zu kümmern. Wozu auch, wenn es einem heutzutage so einfach gemacht wird, das Mißbehagen, den Frust und die Beklommenheit über die eigenen Unzulänglichkeiten auf im Grunde genommen völlig Unbekannte und Unbeteiligte abzuwälzen.
Der Obama-“Hype”: Seit Anbeginn der Menschheit hat es Messias-Gestalten gegeben, Menschen wie du und ich, von denen erwartet wird, daß sie die Welt ins Lot und für sämtliche Konflikte eine – möglichst rasche! – Lösung bringen. Solchen – gewiß in manchen Fällen herausragenden – Individuen bürdet man dann die gesamte Last menschlicher und sozialer Kompetenzen auf. Damit man sich selbst nicht mehr die Hände schmutzig machen oder das eigene Hirnkästchen anstrengen muß, um das zu tun, womit sich im Grunde genommen die Welt am einfachsten verbessern lassen würde: Vor der eigenen Türe kehren, sich auch mal selbstkritisch reflektieren und sein persönliches Umfeld vorurteilslos, mit Verständnis, Liebe, Toleranz, Achtung, Umsicht und Weisheit zu gestalten.
Barack Obama kann durchaus der Staatsmann sein, der unserer arg gebeutelten Welt eine Atempause, Entspannung, vielleicht sogar eine Art neues Gesicht verschaffen könnte. Ein Heiland ist er nicht. Den trägt jeder in sich selbst. Mir graust es schon ein ganz kleines bißchen vor der nächsten Wahl in Amerika. Wenn all die vielen Millionen “Joe the Plumber” feststellen mußten, daß nach dem “Hype” ein menschliches Wesen mit Fehlern, Kanten und Schwächen zum Vorschein gekommen ist.
Aber in der Zwischenzeit werden wir mit Sicherheit von einer Unzahl neu wogender “Hypes” überrollt…
Wahlparty-Impressionen… 05. 11. 2008
Das Münchner Amerikahaus hatte mich zur Wahlnacht eingeladen. Vor acht Jahren ist mir diese Ehre schon einmal zuteil geworden und trotz des darauf folgenden Debakels habe ich mich oft und gerne an diese Veranstaltung erinnert, eine gelungene Mischung aus bayerischer und amerikanischer Gastlichkeit.
Eine richtige Bigband hatte sich auf der Empore des ersten Stockes breit gemacht und schmetterte gekonnt eine Glenn-Miller-Schmonzette, als ich aufgebrezelt und unternehmungslustig einmarschierte. Nur kurze Zeit später, das weitläufige Foyer des Hauses war inzwischen zum Bersten voll, man kam nicht umhin, auf Zehen zu treten und anzurempeln, wollte man sich vorwärts bewegen, eröffnete die Justizministerin die Party. Ihre Begrüßungsrede war recht knapp gehalten, im Gegensatz zu denen des Botschafters und des Hausherrn. Zwei Kameraleute im Schlepptau einer Handvoll Reporter schlängelten sich gekonnt und verstohlen brutal durch die Menge, die üppigen Grußworte wurden untermalt von den dezent im Hintergrund scheppernden Begleitgeräuschen eines Bufett-Aufbaus.
Im Kielwasser einer etwas voluminösen Hausangestellten gelang es mir, den Aufgang zum zweiten Stock zu erreichen. Dank meiner früheren Erfahrungen wußte ich, daß es dort oben ebenfalls in Bälde etwas zu Futtern geben würde. Und daß die „Schlacht“ an diesem kalt-warmen Sortiment Gaumenfreuden sich wesentlich harmloser gestalten würde als im Erdgeschoß, wo die ganzen Oberwichtel und A-dabei’s in drangvoller Enge um die anwesenden Promis und Presseleute herum wuselten, die laufenden Kameras und gezückten Mikrophone immer in einem Augenwinkel behaltend – „Tante Erna, Onkel Fritz, heut‘ müßt’s die Abendschau einschalten! Die ham mich gefilmt, als ich direkt neben der Merck gestanden bin!“ – mit dem anderen Auge unablässig die Vervollständigung des Bufetts registrierend. Mir sagt solch ein Gehabe nicht zu, außerdem lasse ich mich gar nicht mehr gerne ablichten, weil auf allen Fotos erbarmungslos der Ansatz eines Doppelkinns zu erkennen ist.
Hier oben grasten wir, ein Pulk von etwa drei Dutzend Mitfeiernden, ohne jegliches Geschubse und Gezerre in aller Ruhe die dargebotenen Platten ab, blickten erhaben und auch etwas spöttisch distanziert an das Geländer der Rotunde drapiert, „cool“ mit dem Weinglas in der einen und Käsehäppchen oder Hot Dogs in der anderen Hand auf die drangvolle Enge tief unter uns. Die Bigband legte sich gewaltig ins Zeug und gab routiniert und lautstark ein recht umfangreiches Repertoire Swingklassiker von sich. Ich schwelgte in einem Tagtraum, bei der nun folgenden Tombola den Hauptpreis zu erstehen, ein Flugticket in die USA für zwei Personen… „San Franzisco – ich nehm‘ den Thomas mit (meinen besten Freund) und dann fliegen wir nach San Franzisco. Und wenn der nicht mit will (weil er manchmal ganz schön zickig sein kann!), dann verklopf‘ ich die zweite Ticket-Hälfte…“
Na ja, daraus wurde nichts. Egal, es ist auch so ein schöner Abend! Ich ließ mich frohgemut treiben, legte alle halbe Stunde einen Abstecher zum Bufett ein – so eine Wahlnacht ist aufregend und lang, da benötigt man jede Menge Labsal in fester und flüssiger Form! – gab mich einer meiner Lieblingsbeschäftigungen hin – Leute beobachten – und absolvierte Small-talk mit gänzlich Unbekannten. Irgendwie hatte sich nun eine wohltuende Atmosphäre der Ungezwungenheit, Unbefangenheit eingestellt. Ein hochrangiger bayerischer Politiker begrüßte mich ganz überraschend voller Vertrautheit und Freundlichkeit, es entspann sich eine Unterhaltung, als wären wir seit langem einander bekannt, dabei sind wir uns noch nie über den Weg gelaufen! Mei, das ist aber ein ganz Netter!, dachte ich beseligt, als sich unsere Wege wieder trennten. Ich hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, ihm bei der Landtagswahl meine Stimmen nicht gegeben zu haben.
Apropos Stimmen – die ersten Hochrechnungen standen unmittelbar bevor. In sämtlichen Räumen des Amerikahauses waren Flimmerkisten aufgestellt worden, umlagert von gebannten Menschentrauben. In Kentucky und Indiana hatte McCain gewonnen. Vermont für Obama, noch ein Staat, Georgia, glaub ich – wieder für McCain, der nun mit 39 zu 3 Wahlmännern in Führung lag. Ein leichter Anflug Pessimismus beutelte mich. Die Live-Sendung von CBS-News war gekoppelt mit AFN. American Forces Network – da werden unzählige Jugenderinnerungen wach! An mein erstes kleines Kofferradio, welches ich an mein Ohr gepreßt hielt, um atemlos die Hitparaden verfolgen zu können, jeder Nummer-Eins-Hit wurde dort um Wochen früher ausgestrahlt als im deutschen Rundfunk!… Da die aktuellen Meldungen noch spärlich eintrafen, zum Teil auch deshalb, weil in einigen Staaten der Status „Too close to call“ herrschte, blendete man sehr viel und sehr üppig Werbesendungen der Army ein. Stattliche Offiziere und schmucke Kadetten vermittelten den Eindruck, daß ein Dienst bei den Marines, der Navy oder Artillery ein Sonntagsausflug sei, ein Zuckerschlecken, der schönste, friedlichste, harmloseste Job! Daß die US-Streitkräfte eine Wohltätigkeits-Organisation seien, deren einziger Sinn und Zweck darin bestünde, Armen und Bedürftigen zu helfen, Kranke zu heilen und Frieden zu bringen. Ohne auch nur einer Menschenseele ein Haar zu krümmen. Es war schier unerträglich. Jedesmal, wenn ich eine derart für dumm verkaufende, dick aufgetragene Einblendung nahen sah, ergriff ich die Flucht und schlenderte durch die sich nun allmählich leerenden Räume…
… Fünf Uhr morgens. Ich befand mich inmitten einer kleinen Schar unverdrossen Ausharrender, übermüdet, mit rot geränderten, umschatteten Augen fixierten wir den riesigen Bildschirm im Foyer. Binnen zwei Minuten kamen die Ergebnisse der fünf wichtigsten Staaten an der Westküste. Jawoll! Obama hat gewonnen! Barack Obama ist unzweifelhaft der 44. Präsident der Vereinigten Staaten! Wildfremde Menschen fielen einander jubelnd in die Arme…
… Daheim angelangt packte ich meinen Drahtesel und glitt heiter durch die vormorgendlichen, nebelfeuchten Gassen. Ich machte einen Abstecher zum Viktualienmarkt, der sich grade anschickte, den Schlaf aus den Standlfenstern zu wischen, ließ mir in einem großen Kaffeehaus von meinem Freund Thomas, der dort Frühschicht hatte, eine dampfend heiße Melange kredenzen und schlug ganz allmählich richtig müde werdend den Weg zu meiner Heim- und Bettstatt ein…
Yes, we can!
Sexuell missbraucht – lebenslang stigmatisiert… 27. 10. 2008
Dies wird der schwierigste Text meines Lebens. Ich werde versuchen, meine Worte sehr sorgfältig zu wählen, objektiv und distanziert zu sein. Ich möchte, daß ihr euch Folgendes nur guten Herzens, mit menschlichem Interesse und voller Lauterkeit zu Gemüte führt. Wer sich daran aufgeilen will, ist fehl am Platze und tut mir von Herzen leid.
Im Alter von ungefähr zwölf Jahren wurde ich von meinem Großvater väterlicherseits mißbraucht. Ich war ein naiver Tolpatsch, weltfremd, verträumt und unaufgeklärt. Oma und Opa verbrachten regelmäßig die Sommerferien bei uns. Meine Eltern, mein Bruder, Oma und eine Großtante, welche gleichfalls zu Besuch war, machten eine Einkaufstour durch Berchtesgaden. Opa und ich wollten lieber in Ruhe Musik hören. Wir lümmelten gemütlich auf der Couch im Wohnzimmer, eine Platte mit mexikanischer Mariachi-Musik lief. Opa zog mich auf seinen Schoß, seine fiebrigen Hände begrapschten mich und seine glitschige, schleimige Zunge bohrte sich in meinen Mund… Ich habe mich so sehr geekelt. Ich war verwirrt. Zutiefst verletzt, gedemütigt, bis ins Mark erschüttert.
Die Ausflügler kamen nach Hause. Während meine Mutter in der Küche ihre Einkäufe auspackte, schlich ich zu ihr und erzählte ihr von dem Vorgefallenen. Sie wurde blaß, ihr Gesicht versteinerte. Dann zog sie sich von mir zurück und murmelte: “Das dürfen wir dem Papa auf keinem Fall sagen, der schmeißt die Großeltern sonst aus dem Haus.” Das war alles. Sie hat mich nicht getröstet, nicht in den Arm genommen, mir nicht übers Haar gestrichen. Mama hat mich damals vor vierzig Jahren allein gelassen. Lange, lange Zeit ist dies in der Rückschau noch viel schmerzlicher gewesen als der Mißbrauch.
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte habe ich diesen Vorfall vollkommen verdrängt. Zumindest oberflächlich. Mit zunehmendem Alter verstörte mich mehr und mehr, daß ich wohl nicht fähig dazu war, eine gesunde und dauerhafte Partnerschaft aufzubauen. Daß ich mich nur von den Männern angezogen fühlte, die als zu schwierig, zu launenhaft, zu egozentrisch galten, um eine richtige Bindung einzugehen. Daß es mir auch kaum gelang, mich auf echte Freundschaften einzulassen. Ich fühlte mich stets mißverstanden, ausgenutzt, hintergangen. Ich konnte kein Vertrauensverhältnis aufbauen – weil mir jegliches Vertrauen in mich selbst und meine Mitmenschen abhanden gekommen war. Weil ich bis in die Grundfesten meiner Seele traumatisiert war.
Zu Beginn der Wechseljahre stellten sich Depressionen ein. Vorbei die Chance, jemals ein eigenes Kind in den Armen halten zu dürfen. Dem Rat meiner Hausärztin folgend begann ich mit einer Psychotherapie. Diese – es handelte sich um wöchentliche Einzelgespräche – dauerte eineinhalb Jahre. Meine Therapeutin, der ich durch ihr großes Engagement und herausragende Kompetenz mein neues Leben verdanke, riet mir zu einer weiterführenden Psychoanalyse. Jetzt, nach weiteren gut eineinhalb Jahren, ist die Behandlung beinahe abgeschlossen. Seelen genesen sehr, sehr langsam.
Die professionelle Hilfe hat nicht nur die furchtbaren, tiefen, alten Wunden offen gelegt und dann heilen lassen. Sie hat mir ein stärkendes Selbstwertgefühl geschenkt. Mut, gelassen und angstfrei in die Zukunft zu blicken, mich selbst mit allen Licht- und Schattenseiten zu akzeptieren.
Dies ist ein eindringlicher Appell an all die jungen Menschen, denen dasselbe widerfahren ist: Haltet keinesfalls still! Laßt so eine schlimme Verletzung, so eine furchtbare Demütung nicht willenlos über euch ergehen! Setzt euch zur Wehr, macht den Mund auf! Egal, wer euch zu nahe getreten ist, stellt denjenigen bloß! – Ich bin davon überzeugt, daß mein Leben eine völlig andere Richtung genommen hätte, hätte ich seinerzeit vor versammelter Familie auf meinen Großvater gezeigt: Was hast du mir angetan? Warum? Was hast du dir nur dabei gedacht?! – Scheut euch ja nicht, die Hilfe eines(r) guten Therapeuten/in in Anspruch zu nehmen. – Wäre dies vor vierzig Jahren bereits möglich gewesen, hätte ich mit Sicherheit eine ungeahnt größere Chance auf ein geordnetes Familienleben gehabt, mit Kindern, einer dauerhaften Beziehung, vielleicht sogar schon Enkelchen, die mich munter umspielen. Vielleicht wäre ich im Innersten nicht ständig dermaßen zerrissen gewesen. Hätte den Mumm, die Disziplin und das Durchsetzungsvermögen gehabt, das Abitur zu machen und zu studieren. Vielleicht würde ich heute im Hörsaal einer Universität stehen und Vorlesungen halten. Vielleicht in einer Buchhandlung meinen neuesten Bestseller signieren…
Setzt euch zur Wehr! Solch ein entwürdigender Übergriff, der nur Minuten dauert, kann euer ganzes Leben aus der Bahn werfen! Ihr seid so viel mehr wert, als euch Jahrzehnte lang mit Komplexen, Traumata, Neurosen und Depressionen quälen zu müssen!
An die Mütter: Begegnet euren Kindern mit Liebe. Horcht auf, wenn euch eure Töchter/Söhne eine Mißbrauchssituation schildern. Weist sie nicht ab. Stärkt ihnen den Rücken. Gebt ihnen Trost und Hilfe.
Noch ein eindringlicher Appell – diesmal an all jene, deren moralische Hemmschwelle offenbar nur gering vorhanden ist: Beherrscht euch, um Himmels Willen! Zeigt Charakter! Haltet euch zurück! Achtet und respektiert und schützt junge, unverdorbene Menschen! Führt euch stets vor Augen, daß einige Momente der Unbesonnenheit, der Gier, der unkontrollierten Lust ein Menschenleben empfindlich schädigen können. Daß ihr ein Verbrechen begeht!…
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Dringend erwünscht – stumme Kinder… 26. 10. 2008
In einem Beitrag eines mittäglichen Nachrichtenmagazines beklagte man die zunehmende Anzahl von Kindertagesstätten, die ihre Pforten schließen müßten. Grund: Lärmbelästigung. Man griff einen der jüngsten Fälle auf, einen Kinderhort, welcher inmitten eines Hamburger Nobelvorortes liegt. Dort stört sich die Bevölkerung offensichtlich nicht so sehr daran, daß sich unweit eine Einflugschneise des Airportes befindet und im Minutentakt Düsenmaschinen Richtung Landebahn donnern, fauchen und pfeifen. Auch das – zumindest für meine Ohren – unerträgliche Röhren der Laubbläser und Rasenmäher und die Formel-1-mäßigen Startgeräusche aufgemotzter Nobelkarossen werden – so erweckte es zumindest den Anschein – klaglos hingenommen. Nur kleine Menschen, die lachend, rufend, auch schon mal kreischend – zugegeben – ihrer Lebensfreude Kund tun, wundervolle Anzeichen dafür, daß es auf dieser komplizierten Welt doch noch schöne, einfache und lustige Dinge gibt, die müssen weg.
Es sei denn, man umschließt diese Kita’s mit zwei Meter hohen Schallschutzwänden. Ja, dann macht diese Wände doch gleich zehn Meter hoch, mannsdick, aus Beton, setzt Stacheldraht oben drauf, an jeder Ecke einen bewaffneten Wachposten – und dann haben wir Kinderghettos! Jawohl! Kinderknasts, Kinderzuchthäuser, aus denen kein Anzeichen jungen Lebens und Frohsinn mehr nach draußen dringt!
Haben diese Menschen denn allesamt vergessen, wie wundervoll es ist, Kind zu sein? Zu toben, jagen, lachen, Fangen oder Verstecken zu spielen, bolzen, sich verkleiden, auf Bäume kraxeln, von Abenteuern zu träumen und in phantastischen Träumen zu schwelgen, in märchenhafte Rollen zu schlüpfen? Was glauben sie denn, was aus unserem Lande wird, wenn Kinder nicht mehr Kind sein dürfen? Wenn das Belfern überzüchteter Schoßhündchen wichtiger wird als das Weinen eines kleinen Menschen?
Bildung beginnt wahrlich nicht mit dem ersten Schultag. Es ist atemberaubend, wie intensiv Kleinkinder die sie umgebende Welt aufnehmen, welch eine Flut an Eindrücken und Erfahrungen bereits in den ersten Lebensjahren gesammelt und verarbeitet wird. Doch dazu müssen sie sich bewegen, sich ausdrücken können. Wenn wir ihnen dies nicht gestatten, “züchten” wir uns ein Heer emotional und intellektuell verkümmerter Krüppel heran. Liegt dies wirklich in unserem Sinne?
In diesem unserem Wohlfahrts- und Sozialstaat wird es zunehmend notwendiger, daß beide Elternteile zum täglichen Auskommen beitragen. Wie soll das funktionieren, wenn für den Nachwuchs keine sicheren, von umsichtigen und geschulten Kräften gestalteten Horte, Tagesstätten und Kindergärten vorhanden sind? Wir beklagen uns bitterlich darüber, daß sich zusehends die Alterspyramide umkehrt, daß in jeglicher Hinsicht der Nachwuchs fehlt. Und doch behandeln und schätzen wir vielerorts unsere Haustiere weitaus gewissenhafter, liebe- und verständnisvoller als unsere Nachkommenschaft.
Ich hätte da eine Lösung. Einen Appell an unsere Genforscher: Entwickelt doch bitteschön in euren Labors stumme Kinder! Kleine Menschen, die keinen Mucks von sich geben, niemandem zur Last oder auf die Nerven fallen. Lautlose Kinderlein, lautlos zumindest, bis sie “erwachsen” geworden sind. Bis sie gelernt haben, zu jammern und sich zu beklagen. Zu lügen und die Tatsachen zu verdrehen. Bis sie den bodenlosen Egoismus und die maßlose Gefühlskälte verinnerlicht haben. Bis sie integriert sind in die rücksichtslose Ellbogen-Gesellschaft.
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Ein Kreis schließt sich… 23. 10. 2008
Gestern nachmittag war in aller Stille Papa’s Urnenbeisetzung. An der frisch aufgeworfenen Grabstätte, beschattet von einer weit ausladenden Bergkiefer, mit Blick auf Berchtesgaden und – für Papa als Eisenbahn-Fan ganz wichtig! – in Hörweite des Bahnhofes, hatte sich lediglich eine kleine Schar eingefunden: Meine Mutter, mein Bruder samt Schwägerin und allerliebstem Neffen, ich, sowie der ausgesprochen fürsorgliche und mitfühlende Inhaber des Bestattungsunternehmens. Ich stand der kleinen Zeremonie an sich recht gelassen gegenüber, es war nur mehr ein Häufchen Asche, welches da seine letzte Ruhestätte finden würde, sozusagen die Essenz von Papa’s sterblicher Hülle. Der nimmersterbliche Geist, Gottesfunke, die Seele, die einst in einem meiner liebsten und wichtigsten Menschen auf dieser Welt Ausdruck gefunden hatte, hatte damit nichts zu tun, dem ging’s wahrhaft gut, davon bin ich seit Wochen zutiefst innerlich vollauf überzeugt, mit einer Gewißheit, die ich – obwohl keineswegs auf den Mund gefallen – gar nicht in Worte fassen kann. Ich weiß es halt.
Doch dann geschah etwas, das mir trotz allem Seelenfrieden das Wasser in die Augen und einen dicken Kloß in die Kehle trieb. Der Friedhofsangestellte schritt gemessen an den Gräbern entlang, auf seinem Haupte thronte etwas verwegen ein anthrazitfarbenes Käppi mit schwarzem Schirm, ein ebenso farbener Anzug mit leichtem Stehkräglein kleidete ihn. In der Beuge seines Armes befand sich die Urne, es machte auf mich den Eindruck, als wiege dieser mir völlig Fremde ein Neugeborenes ganz, ganz behutsam in den großen Händen.
Und so war es für mich das Sinnbild, daß sich der Lebenskreis eines Menschen geschlossen hatte. Vor mehr als siebenundsiebzig Jahren mag meine Oma zuhause in der kleinen, schlesischen Stadt Strehlen meinen Papa, Neuankömmling auf dieser oft so unbegreiflichen, schaurigen, grausamen, wunderschönen, vor Lebenskraft, vor Liebe nur so strotzenden Welt, ebenso in ihren Armen gehalten haben. Voller Stolz. Sieh her, unser Erstgeborener. Unser Sohn. Was wird das Leben wohl für ihn bereit halten? Wohin wird das Schicksal ihn tragen? Was wird aus ihm werden?…
… Wir beteten in aller Stille ein Vaterunser. Jeder von uns trat vor und warf eine frisch erblühte, dunkelrote Rose in das erdfeucht duftende Loch mit der soeben versenkten Urne. Klumpen schwarzbraunen Erdreichs polterten hinab, gegen das Gefäß. Dann wandten wir uns um und verließen still und in Trauer den Friedhof…
… Mag sein, daß gerade in diesen Augenblicken ein ganz kleines, menschliches Wesen seinen ersten Atemzug tat und die stets forschenden, sanften graublauen Augen aufschlug – still, stark, heiter, gutherzig, wißbegierig, humorvoll, tapfer einem neuen Leben entgegen…
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Verkauft man uns für dumm?… 21. 10. 2008
Eine Meldung inmitten der TV-Nachrichten heute mittag ließ mich aufhorchen. Es war die Bekanntgebung der letzten Studie der OECD über die steigende Armut in den Industrieländern. Da hieß es, daß in Deutschland die Diskrepanz zwischen Arm und Reich am größten sei und immer mehr Bundesbürger unterhalb des Existenzminimum lebten. Hauptursache wäre die Arbeitslosigkeit. In jedem fünften Haushalt sei mindestens ein Familienmitglied davon betroffen.
Aber hallo! Da stimmt doch etwas nicht! Ich war im Rechnen nie eine große Leuchte, aber wenn ich mal so über den Daumen gepeilt von 25 Millionen eigenständigen Haushalten in der BRD ausgehe, dann komme ich auf eine Arbeitslosenzahl von ca. 5 Millionen. Und nicht 3,4 Millionen, wie man uns erst vor kurzem ganz stolz verkündete! Die Herrschaften von der Agentur für Arbeit haben uns vor knapp zwei Wochen erst ganz dick in sämtlichen “Heute”-, “Tagesschauen”-, “Tagesthemen”-, “Mittagsjournal”-Sendungen aufs Brot geschmiert, daß die Zahl der Nichtbeschäftigten und Arbeitssuchenden so gering sei wie seit 16 Jahren nicht mehr.
Ein Wein wird geklärt und geschönt, indem man Trub- und Schwebstoffe, sowie Verunreinigungen ausfiltert und eventuell auch etwas Süßmost für einen gefälligeren Geschmack zusetzt. Genau so verfährt man mit den Statistiken des Bundesministeriums für Arbeit! Unter die Zahl der Arbeitslosen fallen nicht
– langfristig Erkrankte
– diejenigen, welche eine Fortbildungsmaßnahme oder Umschulung absolvieren
– Ein-Euro-Jobber oder andere Teilnehmer einer sogenannten Wiedereingliederungs-Maßnahme
– jene Nichtbeschäftigten, die keinerlei Anspruch auf eine Unterstützung irgendwelcher Art mehr haben
– ganz zu schweigen von jenen, die sich aus Schamgefühl oder – irgendwie verständlicher – Scheu vor Behördengängen nicht arbeitslos gemeldet haben
– sowie all die 58-Jährigen und Älteren, welchen nahegelegt wurde, in Frühpension zu gehen
– auch wer böse war, einen Vermittlungsvorschlag abgelehnt hat, eine Schulung nicht absolvierte, zu einer Besprechung nicht erschien und so mit einer Sperrung der Bezüge abgestraft wird
Rechnet man all die Menschen dazu, welche unter einen der grade aufgelisteten Punkte fallen, dann ergibt sich daraus tatsächlich eine Arbeitslosenzahl von 5 Millionen, wenn nicht sogar noch höher.
Diese Unstimmigkeit zwischen den zwei oben kurz angeschnittenen Meldungen in Nachrichtensendungen des Öffentlich Rechtlichen Fernsehens macht mich sehr, sehr stutzig. Hält man uns mittlerweile tatsächlich für dermaßen dumm und desinteressiert, daß man davon ausgeht, so etwas würde niemandem auffallen? Verschleiert man tatsächlich zusehends die wahre Lage der Nation mittels kolportierter Halbwahrheiten und Erfolgsbotschaften, welche im Grunde genommen gar keine sind? Werden die Platt-, Dumm-, Grobheiten, welche zunehmend tagtäglich über die Glotze flimmern, von oben gesteuert und gestreut, um uns faul, abgestumpft, willenlos – und somit friedlich und unaufmerksam zu halten? Oder verinnerlicht man inzwischen auch – oder vielleicht gerade – in den Medien jenes orientalische Sprichwort: “Die Wahrheit ist ein sehr kostbares Gut, deshalb muß man sehr bedachtsam damit umgehen.”?
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Gutes Benehmen – vom Aussterben bedroht… 13. 10. 2008
Als ich heute morgen aus der S-Bahn stieg, fuhr mir der Rollkoffer einer jungen Dame voll über den rechten Fuß. Nachdem ich mich bei ihr dafür entschuldigt hatte, daß meine Zehen leider ihrem Koffer im Wege gewesen seien, erntete ich nur einen sehr indignierten Blick und Kopfschütteln. Bei meiner Arbeitsstelle angekommen nahm ich das Putzzeug auf und begann mit dem Reinemachen. Ich habe dies bislang ein paarmal die Woche freiwillig übernommen, denn zum Einen konnte ich das Geld gut brauchen, zum Anderen ließ die Sauberkeit in unserer doch recht weitläufigen Wirtschaft des öfteren sehr zu wünschen übrig. Ich spreche in der Vergangenheit, denn diesen Job werde ich nach den letzten Erfahrungen an den Nagel hängen. Sobald man hierzulande als Putzfrau zu erkennen ist, steigern sich die Grobheiten, die man zu hören bekommt, um ein Vielfaches. Nicht nur Fremde vergriffen sich da sehr gerne mal im Ton – oder sprachen mich überlaut in gebrochenem “Ausländerdeutsch” an – auch für etliche Kollegen war meine Tätigkeit als “Sauberfrau” ein Freibrief für unverschämtes Verhalten, einige verstiegen sich sogar dazu, mir im schroffem Kommandoton Befehle zu erteilen. Wenn mein Chef, der offensichtlich Takt- und Feingefühl, auch Wohlverhalten und Anstand nur tröpfchenweise mit der Pipette verabreicht bekommen hatte, mich anschnauzte, weil ich es wagte, nach zwei Monaten ein bestimmtes Putzmittel zu bestellen, biß ich die Zähne zusammen und wandte mich kommentarlos ab. Doch die Art und Weise meiner Kameraden hatte mir des öfteren bittere und gramerfüllte Tränen in die Augen getrieben…
Überhaupt scheint man der Ansicht zu sein, Arbeitern im sogenannten Dienstleistungsgewerbe gegenüber brauche man keinerlei Höflichkeit an den Tag zu legen. Und das fängt schon bei den Kindern an! Nur eines von unzähligen Beispielen: Gestern mußte ich mich von einer gerade mal zehnjährigen Göre knappe zehn Minuten nach der Bestellung anschnauzen lassen, wo denn ihr Essen bleibe, sie habe schließlich Hunger! Was die Unsitte hier in diesem ach, so schönem und “zivilisierten” Lande betrifft, Menschen, die für andere da zu sein versuchen und mit ihren Händen und dem Herzen Schwerstarbeit verrichten, von oben herab und als minderwertig zu betrachten und zu behandeln, könnte ich weiß Gott ein Buch schreiben! Kein Wunder, daß niemand mehr Lust darauf hat, unter anderem in der Gastronomie oder den Pflegeberufen zu arbeiten.
Gerade am Wochenende wird in den Supermärkten, Kaufhäusern, Fußgängerzonen, Bahnhöfen geschubst, gedrängelt und gerempelt, daß einem Hören und Sehen vergeht! Man wähnt sich inmitten eines American-Football-Spieles und nicht in einer “kultivierten” Millionenstadt. Ein kleines Wort der Entschuldigung? Fehlanzeige! Wenn man die jungen Nachbarn in unserem Mietshause freundlich grüßt, darf man davon ausgehen, daß dies nicht erwidert wird. Zudem scheint es mittlerweile Sitte zu sein, zu jeder Tages- und auch Nachtzeit die Wohnungstüren zuzuknallen, daß die Wände beben. Ist diesen Menschen nicht beigebracht worden, daß man eine Türe auch leise und sacht ins Schloß ziehen kann?…
Was mich ganz besonders stört ist die seit einer geraumen Weile besonders um sich greifende Unsitte, einem Erzählenden ins Wort zu fallen. Ist keine Geduld oder Zeit mehr vorhanden, sein Gegenüber ausreden zu lassen? Oder liegt es am mangelnden Interesse für die Belange des Anderen? In meinen Augen ist es der fehlende Respekt, die Achtung vor dem Mitmenschen. Wenn ich für einen Redner nur einen Funken menschlicher Wertschätzung empfinde, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, ihm ohne rüde Unterbrechung zuzuhören…
Woher kommt dieser Niedergang guten Benehmens, feinen Stils, des Anstandes und Taktgefühls? Durchaus auch vom Fernsehen!!! Jawohl!!! Herr Marcel Reich-Ranicki hat den Nagel auf den Kopf getroffen: Was heutzutage in der Flimmerkiste läuft, ist an Derb- und Platt- und Dummheiten sehr oft nicht mehr zu überbieten. Das sehen unsere Kinder nachmittags: Unter anderem Gerichts- und Psychoshows, Seifenopern, Telenovelas, in welchen Scheidungskriege, Beziehungsdramas aller Art, Lug und Betrug, Mord und Totschlag, sexuelle Abartigkeiten, Inzest etc. ausgelutscht und breit getreten werden bis zum Geht-nicht-mehr! Ein Dieter B…, ein “wahrer Edelmann, der durch beispielhafte Feinfühligkeit, leise Töne, Ritterlichkeit und überaus gutes Benehmen” glänzt, hat Vorbildcharakter! Auch der ständige Pessimismus, das Hochkochen und wieder und wieder und immer wieder Aufwärmen negativer Aktualitäten trägt zum Niedergang guter Sitten bei. Wer glaubt, in seinem Leben weder Träume noch Perspektive zu haben, sieht auch keine Freude an der respektvollen Begegnung mit seinen Mitmenschen. Kommt noch dazu, daß viele Eltern – beide berufstätig – zermürbt und erschöpft vom tagtäglichen Kampf ums Dasein, oftmals nicht mehr dazu in der Lage zu sein glauben, ihren Sprößlingen Verhaltensregeln im Umgang mit ihren Artgenossen beizubringen. Die Schuld daran schiebt man dann sehr gerne den Lehrern in die Schuhe, mein Vater, mehr als vierzig Jahre an einer Grundschule tätig, hat sehr oft ein trauriges Lied davon singen können…
Es ist auch scheints nicht mehr “in”, sich in Selbstdisziplin zu üben. Wir haben tatsächlich eine Ellenbogen-Gesellschaft! In den letzten Jahrzehnten hat sich der Individualismus dermaßen stark kristallisiert, daß Viele den Menschen neben sich gar nicht mehr wahrnehmen, geschweige denn für wichtig erachten, außer man will etwas von ihm. Höflich sein, freundlich und zuvorkommend, wozu? – Ich verrate euch jetzt ein Geheimnis: Weil es gut tut! Weil es schön ist! Weil mir das Lächeln eines Anderen den Tag beschwingt. Weil es ein Ausdruck von Liebe ist. Und gerade die brauchen wir in den heutigen Zeiten so sehr! – Und weil es weder Geld kostet noch weh tut! Die Magischen Worte “Bitte”, “Danke”, “Grüß Gott”, “Entschuldigung” und “Auf Wiedersehen” gibt’s umsonst!
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Eine Fülle an Trost – die Familie… 10. 10. 2008
Mittwoch morgen haben wir mit einer schlichten, sehr stilvollen Trauerfeier Abschied von meinem Vater genommen. – Am Rande bemerkt: Ich mußte 52 Jahre alt werden, um endlich erkennen zu dürfen, was für einen unfehlbaren und wundervollen Sinn für Stil meine Mutter hat. – Ich dachte, Papas Tod in den Tagen zuvor schon ziemlich verwunden zu haben, doch als ich in der Aussegnungshalle seinen mit feinen, weißen Spitzenschleiern und Rosen gezierten Sarg erblickte, übermannte mich tiefer, tiefer Schmerz. Zwei Tanten nahmen mich liebevoll in ihre Arme, betteten meinen schweren, tränenheißen Kopf an ihre Schulter, wortlos, ganz einfach verstehend. Und wie schon oftmals zuvor wurde mir bewußt, was Familie bedeuten kann: Schutz, Trost, Heimat, Mitgefühl, Geborgenheit – schlicht Liebe.
Etwas später, als wir in uns in einer benachbarten Wirtschaft von der beißenden Herbstkälte erholten, glitt mein Blick über die gesellige Schar, welche uns und Papa das Geleit gegeben hatte. Warme Getränke und ein Imbiß lockerten und hoben die Stimmung, die ersten Scherze und Anekdoten machten die Runde, sorgten für warmherziges, befreiendes Lachen. Ich sah und hörte, genoß und staunte und erfreute mich ganz unverbildet der so vertrauten und doch stets aufs Neue überwältigenden Gesellschaft. Wie gutherzig lebhaft sie doch allesamt sind, dunkelhaarig, mit großen, braunen, vor Witz und Klugheit blitzenden Augen, mit großen, wohlgeformten Nasen, mit starken, hellen Stimmen, sie lachen allesamt so gerne, haben solch einen ausgeprägten Sinn für Humor, sind recht eigenständig, eigensinnig – und einander doch sehr nah…
… Meine Oma mütterlicherseits stammte aus der Nähe von Asch, früher in Sudetendeutschland, heute Tschechien. Sie verliebte sich in einen jungen, schneidigen, überaus intelligenten Ingeneur, Abkömmling einer der besten Familien des Städtchens. Sehr gegen den Willen der Eltern heirateten die beiden, Großvater fand die Laufbahn als Textil-Ingeneur ausgesprochen langweilig, er wurde Berufssoldat. Eine Schar Kinder kam zur Welt, ein Junge, fünf Mädchen, ein zweiter Sohn war dann ein sogenannter Nachgeborener, als Opa während des Balkan-Feldzuges tödlich verwundet und die Großmutter vertrieben wurde. Die Familie fand mehr schlecht als recht Unterschlupf in einem Flüchtlingslager bei Rottau, unweit des Chiemsees. Es gibt unzählige Geschichten, Anekdoten, Erinnerungen, wie die Witwe nach besten Kräften versuchte, der unglaublichen Not der Nachkriegsjahre Herr zu werden. Was muß sie für eine Kraft, einen Willen besessen haben, um all ihre sieben Kinder ordentlich und anständig aufzuziehen!…
…Viele Jahre lang habe ich mehr als gelangweilt weg gehört, wenn meine Mutter, meist zu den gemeinsamen Mahlzeiten, die “ollen Kamellen” aus ihrer Kindheit und Jugend wieder und immer wieder auffrischte. Ich nehme an, es hat damit zu tun, daß wir beide über lange Zeit ein sehr gespanntes, manchmal sogar feindseliges Verhältnis zueinander hatten. Zum Glück hat sich dies in der jüngeren Vergangenheit geändert. Nun darf ich feststellen, daß uns das Leiden meines Vaters und die Trauer um ihn einander so nahe gebracht hat, wie ich es in meinen kühnsten Träumen nie für möglich gehalten habe. Nun sperre ich auch die Ohren auf und höre genauer hin, wenn sie anfängt zu erzählen. Wieder und wieder keimt in mir die Idee, der Wunsch, die Geschichte meiner Familie nieder zu schreiben…
Wieder schaute ich von einem zum anderen. Und hatte mit einem Male das Gefühl, in einen Spiegel zu blicken. Ich erkannte mein eigenes Gesicht, meine Augen, hörte meine Stimme, mein Lachen, vernahm den Witz, der auch mir zu eigen ist, und auch das Blitzen der Augen ist charakteristisch für mich. Und trotz all der Trauer um Papa – ein wahrer Seelenverwandter ist nicht mehr hier, und so jemanden findet man schließlich nicht an jeder Straßenecke – erfüllte mich auch ein bißchen die Freude an diesen Menschen, an uns, an der Familie. Meine Tanten, mein Onkel, Cousins und Kusinen, es ist so schön, daß es euch gibt und ich hoffe sehr, daß wir einander noch recht lange verbunden sind. Danke, daß ich ein Teil von euch sein darf.
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Haltlos… 02. 10. 2008
… ohne Wurzeln, ziellos, gleich einem Blatt im Winde, einer losgerissenen Ranke, treibe ich heute dahin. Als hätte ich den festen Boden unter den Füßen, einen äußerst wertvollen Teil von mir für immer verloren. Ich zerreisse zwischen einem sehr tiefen, gelassenen Frieden – ich durfte vor gut einer Woche im Krankenhaus noch ein sehr schönes, sehr liebevolles und persönliches Gespräch mit meinem Vater führen, und ich weiß, daß er in Wahrheit in keinster Weise fern von mir ist – und großem Schmerz. Über fünfzig Jahre lang ist er stets für mich da gewesen. Hat mir irgendwie immer den Rücken gestärkt. Ich konnte ihm so viele Dinge anvertrauen, über so Vieles sprechen, wir waren innerlich so sehr miteinander verbunden, uns nahe, einander ähnlich.
Ich weiß, daß er in Wahrheit in keinster Weise fern von mir ist – und vermisse ihn so sehr. Wie oft huschte mir heute – wie stets – ganz spontan der Gedanke durch den Kopf: “Das ist interessant – aufregend – bewegend, das muß ich abends dem Papa erzählen.” – Geht nicht mehr. – Unzählige Male habe ich in all den Jahrzehnten Zuflucht bei ihm gesucht. Immer noch habe ich den Eindruck, daß er – außer meinem Bruder vielleicht – mein unstetes, leidenschaftliches, freidenkerisches Wesen am besten verstanden hat.
Es hat jetzt keinen Sinn… Mehr bringe ich an diesem Abend nicht zustande…
Haltlos, ohne Wurzeln, ziellos, gleich einem Blatt im Winde, einer losgerissenen Ranke treibe ich heute dahin…
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Abschied von Papa… 01. 10. 2008
Nun bist du also über die letzte Brücke gewandert. Im Schlaf, still, unauffällig, unaufdringlich, so, wie das Zeitlebens deine Art gewesen ist. Nur kein Aufhebens machen. Keinen Rummel verursachen. Nicht preisgeben, was so wirklich in dir steckte! Wie genial du gewesen bist – als Vater, als Lehrer, Ehemann, Freund… Mein Bruder hat mir von dem Frieden auf deinem Antlitz erzählt, als wärst du nun doch nach all dem Festklammern an das Leben froh darüber gewesen, in jene andere, für uns nicht erfassbare Welt zu gehen. Als ich dich vor einer Woche das letztemal gesehen habe, deine körperliche Mattheit, deine Gebrechlichkeit, Zerbrechlichkeit, nur mehr ein kraftloses, abgezehrtes Skelett, habe ich gewußt, daß dies unser Abschied war.
Ich werde dich nie vergessen, nicht einen Tag meines Lebensrestes. Ich werde deiner immer in Dankbarkeit, in Wärme, in ganz großer Liebe gedenken. Versuchen, mir stets vor Augen zu halten, was für kostbare, gute und schöne Eigenschaften und Neigungen du mir mitgegeben hast. Den nie erlahmenden Wissensdurst, den unstillbaren Lesehunger, die kindliche Freude am Reisen, Entdecken, Genießen, den prallen Humor in all seiner Bandbreite. Zurückhaltung und Bescheidenheit, ein ruhiges Selbstwertgefühl. Einen recht eisernen Willen. Umgänglichkeit, Gutmütigkeit.
Du bist immer so fest davon überzeugt gewesen, daß mit dem Tod alles endet. Ich kann mir gut vorstellen, wie überrascht du nun sein wirst!
Du bist voraus gegangen. Ein Weilchen noch, dann folgen wir dir nach. Ich freue mich jetzt schon auf das Wiedersehen.
Adieu, Papa…
Eine andere Perspektive auf Gott, Jesus und das Neue Testament… 29. 09. 2008
Gott IST – und daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Dies ist eine zutiefst innere Überzeugung, ein völlig zweifelsfreies Wissen. Natürlich kann man solch eine Erkenntnis wissenschaftlich nicht nachvollziehen oder gar beweisen. Aber muß das überhaupt sein? Sollte da nicht das einfache, wahrhaftige “Ja, es ist so!” genügen? Und was soll diese unersättliche Sucht, diese Gier nach Beweisbarem, die uns heutzutage schier zu beherrschen scheint? Und wie stichhaltig sind diese sogenannten Beweise eigentlich? In der Gruppe der hoch entwickelten Säugetiere sind unsere fünf Sinne mit am schlechtesten entwickelt. Wir sind seit Urzeiten darauf geprägt, nur den Bruchteil dieser Welt wahrzunehmen, der unserem Überleben, unserer Entwicklung dienlich ist. Was wissen wir schon davon, was sich außerhalb unseres Gesichtskreises abspielt.
Gott IST – und das Böse kam in die Welt, als man begann, ihn zu “vermenschlichen”, zu personalisieren. Gott ist die universelle Urkraft allen Lebens, der unerfaßbare, unermeßliche, für uns in dieser Existenzform auf ewig unbegreifliche Schöpfergeist. Jeder von uns ist ein Teil von Gott. In jedem von uns glimmt, funkelt, leuchtet, strahlt ein Funke seiner unpersönlichen Liebe und Gerechtigkeit, seines Da-Seins. Aber wer darum weiß und davon überzeugt ist, wird gegen die Auswüchse und Einwirkungen menschlicher Machtansprüche gefeit, läßt sich nicht mehr so recht gängeln, beherrschen, mit marteriellen Verlockungen ködern. Daher verpaßte man dem All-Eins, der Ewigen Weisheit eine stets omnipräsente, auf jeden Fehltritt, jedes Unwort, jeden Ungehorsam lauernde und postwendend auch bestrafende “Menschlichkeit”. Und der Klerus wurde nie müde, mit dem erhobenen Zeigefinger zu warnen, einzuschüchtern, zu demütigen. – Wissen Sie, an was mich das erinnert, grade angesichts jüngst vergangener Ereignisse? An die Überwachungskameras von “Lidl” und Co! – Gott mischt sich nicht ein, er bestraft auch nicht. Das tun wir selbst! Auch die Unzahl täglich seit mehr als eineinhalb Jahrtausenden ausgesprochenen, herunter geleierten, inbrünstig geflüsterten Gebete haben keinen Sinn. Wie auch? – Nur als Beispiel: Ein Reisfarmer bittet um Regen, aber seinem Nachbarn würde Niederschlag Schaden zufügen. Wie sollte Gott sich da wohl entscheiden? Ein Feldherr bittet vor der Schlacht um den Sieg. Das ist doch angesichts des Gebotes “Du sollst nicht töten” die größte Perversität überhaupt! Würde Gott ihm Gehör schenken, hätte Er sich doch Ad absurdum geführt! Wie vielen Feldherren voraus ist die Standarte mit dem christlichen Kreuz getragen worden! Mit dem Sinnbild Gottes “eingeborenen Sohnes”, der in Seinem Namen verkündete: “Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst…” – “Liebe deine Feinde, tue Gutes denen die dir Böses wollen…” Was für Ströme an Blut sind da geflossen, Ozeane von Blut! Und Gott soll über den jeweiligen Sieger Seine Hand gehalten haben? Gibt es tatsächlich Menschen, die solch einen hirnverbrannten Unsinn glauben?
Seit vielen Jahren ist man darum bemüht, das Neue Testament auf seinen historischen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. So gut das ist, daß man endlich einmal an den Grundfesten der fundamentalistischen christlichen Kirchen rüttelt, der Gedankenansatz ist doch der falsche. Wieso? Nun, weil die Geschichte Jesus, leider in all den seit dem Konzil von Nizäa verstrichenen Jahrhunderten vielfach umgeschrieben und verfälscht, mit einer tatsächlichen Lebensschilderung des angeblichen Zimmermannsohnes aus Nazareth nicht das geringste zu tun hat. Es handelt sich um eine mystische Legende, um ein Gleichnis und alle darin erwähnten Gestalten sind die Facetten einer Menschenseele, welche die Erkenntnis erfährt (Johannes der Täufer), daß sie selbst ein Teilchen Gottes ist. Der Geistesfunke, geborgen in einem bislang unbewußen, reinen Winkel der Seele, wird wahrnehmbar (die Geburt Jesus durch die Jungfrau Maria). Er bewirkt im Leben durchgreifende Änderungen, die egozentrische, auf das Hier und Jetzt, die Befriedigung materialistischer Bedürfnisse und Triebe geprägte Persönlichkeit verliert zunehmend an Bedeutung, Liebe, Schönheit, die Hinwendung zur erleuchtenden Gotteskraft, zum wahren Menschsein wachsen trotz mannigfaltiger Hindernisse (Pharisäer, unwillige, zweifelnde, illoyale Apostel und Jünger – “du bist Petrus, der Fels, auf den ich meine Kirche bauen will…” ist ebenfalls eine Bibelfälschung. Würden Sie – ein bißchen Bibelkenntnis vorausgesetzt – als Jesus allen Ernstes jemanden wie Petrus mit der Gründung einer Weltgemeinschaft betrauen? Da hätte es doch etliche vertrauenswürdigere, sympathischere und sicher auch kompetentere Kandidaten gegeben!). Die seelische Reinigung und Zuwendung zu Gott läßt den Akkoluten die Fesseln seines irdischen Daseins überwinden, er wird zum Erleuchteten, die Buddhisten würden ihn als “Bodhisattva” bezeichnen (Kreuzigung und Auferstehung). Was mich übrigens mit am meisten von dieser These einer mystischen Legende, der Schilderung eines Initiationsweges überzeugt hat, war das Bewußtwerden der vielen Gemeinsamkeiten der Lehren und Gleichnisse des Neuen Testaments mit asiatischen Weisheitslehren – Taoismus, Buddhismus, Hinduismus.
Jetzt stellen Sie sich vor, es hätte seinerzeit dieses Erste Konzil von Nizäa niemals stattgefunden. Die Katholische Kirche mit ihrem Machthunger, ihrer unersättlichen Gier nach Reichtum und Besitz wäre nie gegründet worden. Die Urchristen, Gnostiker, hatten wenig Interesse an materiellen Gütern. Mann und Frau waren gleichberechtigt. Liebe, Schönheit, Weisheit, Wissen, Toleranz und Güte hatten höchsten Stellenwert. Es hätte kein “finsteres Mittelalter” gegeben. Keine Inquisition. Kein Abschlachten hunderter Völkerstämme allein auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Wahrscheinlich auch keinen Holocaust. Wir Frauen hätten in den vergangenen Jahrzehnten keinen erbitterten Kampf um die Emanzipation führen müssen. Es gäbe keinen Bankencrash, keine geldgeilen, skrupellosen Manager, Konzerchefs, Minister, Regierungschefs… Trösten wir uns damit, daß die vergangenen beinahe siebzehnhundert Jahre universelles Karma waren, an dem unsere, den Gottesfunken umschließende Seelen wachsen, lernen und verstehen sollten…
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Die Zeit – Geliebtes Gesicht – Ein Traum… 27. 09. 2008
Zeit
S’is mit dera Zeit scho recht sonderbar,
A oanzalna Tag scheint manchmoi so lang ois wia a Jahr,
Augenblicke g’stopft voll mit Glückseligkeit
zähl’n nix in der unendlichen Ewigkeit.
Wann i in an Spiagl eini starr,
siag i nix ois wia Falt’n und graue Haar’,
Doch schaug i tiaf in mei Herz hinein,
dann find i da oiwei no a kloans Kind,
so lebensvoll, neigierig und rein…
Sein Gesicht
Die schön geschnittenen blauen Augen erinnern mich an die Bergseen meiner Heimat, den Sonnenschein widerspiegelnde, kühle Labsal verheißende Saphire inmitten karger und lebensfeindlicher Steinwüsten. Läßt man sich nach zermürbendem, schweißtreibendem Aufstieg am Ufer nieder, durchdringt einen die tiefe Ruhe, der kraftspendende Frieden eines Ortes, welcher dem Himmel ein Stückchen näher ist als der Rest der Welt… Tauchen meine Blicke in die Seinen, dann umfängt mich Warmherzigkeit, die Gelassenheit eines reinen Herzens, das sanfte Strahlen tiefer Zuneigung und ich fühle mich wie ein Pilger, der auf der beschwerlichen Wallfahrt des Lebens eine seelenerfrischende Rast einlegen darf.
In einer Zeit, da das Schönheitsideal millimetergenau festgelegt zu sein scheint, wirkt sein Antlitz beim ersten Hinsehen beinahe befremdlich, es ähnelt keinem gängigen Typus. Es ist von einer dunklen, schier düsteren Hagerkeit, oftmals tiefe Schatten unter den Augen verleihen einen zerquälten Eindruck. Für mich ist es schön, anrührend, beinahe zart die Linie seiner Wangenknochen, sie verrät den kleinen Jungen, der sich in ihm verborgen hält. Die Nase ist groß, wohlgeformt, mit schmalem, edlem Rücken, der Mund mit der ausgeprägten Unterlippe wird zur schmalen Linie zusammen gepreßt, wenn er sich konzentriert, ärgert oder seine innere Ruhe gestört wird, entspannt ist er weich geschwungen. Auf dem zweiten Blick offenbaren seine von einem ungewöhnlichen Lebensweg herb in die leicht gebräunte Haut gemeisselten Züge eine beeindruckende Intelligenz, eine schier grenzenlose Einfühlsamkeit, eine wache und so empfindsame Seele und Verletzlichkeit. Die Stirn ist hoch und erhebt sich aus dichten Brauen, zwischen welchen zwei Furchen stehen, dunkle Locken, von Silberfäden durchwirkt, verbergen seine Schläfen.
In diesem Gesicht läßt sich gut lesen, es tut von seinem Inneren kund. Er verstellt sich nicht, ist ehrlich und klar wie das Meer, bleiern und dräuend in grüblerischer Versunkenheit, heiter im Morgenglanz verspielten Humors, windstill, voll des Friedens mit sich selbst, gelöst in sanfter Romantik, wenn er verträumt mit halb geschlossenen Augen den Kopf leicht zur Seite neigt…
Nie könnte die kalte Optik einer Kamera diesem Haupte gerecht werden, ein Maler müßte es zu bannen versuchen, ein Maler, der seine Farben mit dem Herzen führt…
Ich kenne dieses Gesicht und entdecke es doch jeden Tag aufs Neue, ich verliere mich darin, ich wandle darin wie in einer markanten Landschaft, voll der tiefgründigen Schönheit…
A Draam
(Ein Traum)
Im Draam hast du
So scheene Sachan zu mia g’sagt.
Im Draam ham mia
Des Höchste und Scheenste mitanand g’wagt.
Mia ham die Sternderln zum Singa bracht
Und san unzertrennlich durch sämtliche Feia ganga.
Und stets hat mi dei starker Arm umfanga…
Dann hab i d’Augn aufg’macht
Und der Draam hat se g’schlicha
In’d finstere, staade Nacht.
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Papas‘ Leidensweg… 23. 09. 2008
Mein Vater war zweiundvierzig Jahre lang Grundschullehrer gewesen. Er hatte so gut wie alle Fächer unterrichtet und etliche seiner Klassen vom ersten bis zum letzten Schultag begleitet. Ich bin davon überzeugt, daß er seine Arbeit sehr geliebt hat. Er ist nach wie vor sehr stolz darauf, daß seines Wissens kein einziges seiner unzähligen “Kinder” auf die schiefe Bahn geraten ist. Als er vor ziemlich genau fünfzehn Jahren anläßlich seines dreiundsechzigsten Geburtstages sehr bestimmt und aufgeräumt erklärte, nunmehr in Pension gehen zu wollen, waren mein Bruder und ich mehr als überrascht. Papa ohne Schule? Wie kann das sein? Wir waren bis dato felsenfest davon überzeugt, daß wir ihn eines Tages aus dem Klassenzimmer würden tragen müssen. Er war uns bislang stets ein Vorbild gewesen, was eiserne Disziplin, Pflichtbewußtsein und Hingabe betroffen hatte. “Ich sag’ euch, ich bin froh, daß ich’s hinter mir hab! Das macht keinen Spaß mehr heut. Die Hälfte der Kleinen versteht kaum Deutsch, wie soll ich ihnen da den nötigen Stoff begreiflich machen? Es ist alles so furchtbar mühsam geworden, so viele Vorschriften, solch ein Verwaltungskram! Früher hab’ ich Mark Twain’s ‘Tom Sawyer’ vorgelesen, im Werken eine Flotte Papierschiffe basteln lassen, im Musikunterricht Carl Maria von Weber’s ‘Freischütz’ nachgespielt…” Er hatte seufzend die Schultern hochgezogen und die graublauen, stets wachsam, direkt und forschend blickenden Augen hatten einen traurigen Glanz bekommen. Doch da sein Geist nie inne hält – dies hat er mir als sehr wertvollen Erbteil mitgegeben – war er schon bald danach mit Zukunftsplänen beschäftigt. Oh, all die Zeit, die er nun mit dem Basteln an seiner Modelleisenbahn würde verbringen können – sie nimmt mittlerweile im Hause meiner Eltern ein ganzes Zimmer ein – ja, und diesen ferngesteuerten Schlachtenkreuzer könne er sich aus England schicken lassen und zusammen bauen – “vier Meter lang, Martha, und die Geschütze kann man tatsächlich abfeuern!” – oder vielleicht dieses Buch für den Heimatkunde-Unterricht schreiben, wie ihm schon des öfteren nahegelegt worden war. Ah, und natürlich nach Italien reisen, so oft als möglich! Als junger Student war Papa zusammen mit einigen Kommilitonen mit dem Fahrrad von Freising bis nach Neapel gefahren und seitdem hegt und pflegt er eine große Leidenschaft für das “Land, in dem die Zitronen blüh’n”. Und lesen, lesen, lesen…
Genau zwei Wochen, nachdem er in den Ruhestand getreten war, raubte ihm anläßlich eines sehr unwillig angetretenen Besuches beim Urologen dessen niederschmetternde Diagnose den wohlverdienten Frieden: “Prostatakrebs. Ich will mein Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen, Herr I., aber rundheraus gesagt, ich glaub nicht, daß Ihnen mehr als zwei Jahre bleiben.” Fünfzehn Jahre ist das nun her. Noch lebt Papa. Der Arzt hatte sich seinerzeit gegen eine Operation entschieden, weil bei einem Eingriff die Gefahr bestünde, daß der Krebs daraufhin noch mehr streuen, noch bösartiger wuchern könne als zuvor. Kann sein, daß er ihm damit tatsächlich das Leben verlängert hat. Fakt ist aber auch, daß die Medikamente, einige davon hierzulande noch im Versuchsstadium und über die Maßen teuer (zehn Ampullen der letzten Chemo kosteten ungefähr so viel wie ein gut ausgestatteter Kleinwagen) bislang ein Vielfaches der Aufwendungen einer Operation verschlungen haben.
Vor zehn Jahren hatte Papa seinen ersten Herzinfarkt. Es wurde beschlossen, ihm einen Schrittmacher einzupflanzen. “Ach, das ist Routine für uns, so was machen wir im Monat mehr als zweihundertmal.” Meine Mutter war bei ihm, als er aus der Narkose erwachen sollte. Sie war sehr beunruhigt, als er trotz verschiedenster Bemühungen keinerlei Anstalten machte, das Bewußtsein zu erlangen, sein Gesicht war eingefallen und fahl wie das eines Toten, er war nicht ansprechbar, reagierte nicht. Die beaufsichtigende Schwester spielte seinen Zustand herunter: “Na ja, manche vertragen das Betäuben halt net, die brauchen dann a bisserl länger.” Erst nach über einer Stunde (!!) erklärte sich ein Assistenzarzt bereit, meinen Vater genauer zu untersuchen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits mehr als eineinhalb Liter Blut in seinem Bauchraum. Beim Schneiden der Tasche für den Herzschrittmacher hatte man eine Arterie angeritzt.
Zwei Jahre danach ereignete sich der zweite Infarkt. Während einer achtstündigen Operation wurde ihm die Brust geöffnet – “Wie man einen Kleiderschrank aufmacht, Martha, genau so!” – es wurde aus dem Oberschenkel eine Vene entnommen, das Material für fünf Bypässe. Danach erholte mein Vater sich relativ schnell und gut, im Landeskrankenhaus Salzburg hatte man wirklich ausgezeichnete und saubere Arbeit geleistet. Er genoß seine täglichen und ausgedehnten Spaziergänge durch unsere weitläufige Ortschaft, mit Hilfe von Wanderstecken kam er erstaunlich flott voran, auch einige Reisen in die Toskana, nach Nizza und San Marino haben ihm viel mehr Freude als Mühen bereitet.
Kurz nach Weihnachten vor vier Jahren landete er wieder mal im Krankenhaus. Über Wochen hinweg war er zunehmends kraftloser, launischer und – seinem Wesen an sich völlig fremd – aggressiver geworden, hatte teilweise sogar unter Halluzinationen und Angstzuständen gelitten. Niemand fand eine Erklärung hierfür, bis sich endlich herausstellte, daß ihm der Urologe eine Medikation gegen den Krebs verordnet hatte, welche sich mit Cortison, das mein Vater ebenfalls einnehmen mußte, nicht vertrug. Es dauerte zwei Monate, bis Papa die Klinik verlassen konnte, der Flüchtigkeitsfehler seines behandelnden Arztes hätte ihm beinahe das so hart umkämpfte Leben gekostet.
Vor zweieinhalb Jahren setzte man ihm in eine Oberschenkelarterie einen sogenannten Stent ein, er litt an Durchblutungsstörungen im rechten Bein, hatte auch schon einige offene Stellen am großen Zeh und der Ferse. Ein zweiter Stent im anderen Bein folgte. Die offenen Stellen schwärten und verheilten nicht mehr, es kam eine sehr große Wunde am linken Unterschenkel hinzu, die weitläufig den bleichen Knochen des Schienbeins freilegte. Seit einem halben Jahr hat er unerträgliche Schmerzen in der rechten Hüfte. Die Diagnose des hinzu gezogenen Orthopäden: “Altersbedingte Osteoporose, Sie brauchen ein künstliches Hüftgelenk.” Als meine Eltern mir davon erzählten, protestierte ich energisch. Ich habe keine besonders ausgeprägten medizinischen Kenntnisse, aber ich verfüge über ein gerüttelt Maß an Phantasie. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie in einem porösen Knochen ein künstliches Gelenk dauerhaft verankert werden sollte. Ich teilte meine Bedenken mit, wurde jedoch zurück gewiesen. Für Mama und Papa sind Ärzte nach wie vor Halbgötter in Weiß, die über jeglichen menschlichen Fehl und Tadel erhaben sind. “Aber zuerst müssen die Wunden an Ihren Füßen und am linken Bein abheilen.”
Nun liegt Papa seit über vier Monaten im Krankenhaus. Die offenen Wunden schließen sich – dann gehen sie wieder auf – dann schließen sie sich wieder. Mein Vater, mittlerweile achtundsiebzigjährig, ist, für jedermann deutlich erkennbar, dem Siechtum anheim gefallen, abgemagert, ein kraftloses Skelett, welches sich ohne fremde Hilfe nicht einmal aufsetzen kann. Nun ist auf einmal nicht mehr die Rede davon, ihm ein Hüftgelenk einzusetzen, nach dem neuesten Stand der Dinge soll “die abgenutzte und poröse Gelenkkugel bei einer Operation abgeschabt und so weit verkleinert werden, daß der Herr I. nicht mehr allzu sehr darunter zu leiden hat. Das heißt, daß das rechte Bein dann versteift und etwas verkürzt sein wird. Mit gutem Aufbautraining soll er aber in etwa acht Monaten dann so weit sein, daß er ganz, ganz langsam mit Krücken gehen und auch wieder Treppen steigen kann, ja, sogar Autofahren.” Doktorchens Märchenstunde oder was? Wie soll jemand mit einem versteiften Bein in Sekundenschnelle vom Gas- aufs Bremspedal wechseln können?
Die Kasse im Krankenhaus klingelt ordentlich: Verbandswechsel an beiden Fersen, am Unterschenkel, oder besser gesagt, dem, was noch übrig ist, Heilfolie aufgelegt – ratsch, ratsch! – Hundertsechzig Euro! Spezialbett installiert, damit Herr I. sich nicht wund liegt – ratsch, ratsch! – Siebenhundert Euro extra! Ein spezielles Sitzkissen für den Rollstuhl, weil Papa keinen Hintern mehr hat, sondern nur mehr zwei spitze Knochen – ratsch, ratsch! – Fünfhundert Euro! Vier Monate Krankenhaus, isoliert im Einzelzimmer, Essen, das ihm nicht schmeckt, nachlässige Pflege, weil oftmals zu wenig Personal vorhanden ist – ratsch, ratsch! – Siebzehntausend Euro! Die angekündigte, risikobehaftete OP – ratsch, ratsch! – mit Sicherheit auch etliche tausend Euro!
Mein Vater ist am Ende seiner Kraft! Er hat – von seiner Kindheit und Jugend während des Zweiten Weltkrieges, Vertreibung und Neubeginn angefangen – bis zum heutigen Tage gekämpft, niemals laut, nie großspurig, sich selbst in Szene setzend, lärmende Sprüche klopfend. Er war einer von den stillen Hartnäckigen, Beharrlichen. Jetzt, so denke ich nicht nur, ich fühle es zutiefst, hat er sein Maß an Lebensenergie, welches ihm mitgegeben worden ist, aufgebraucht. Es kommt die Zeit zu gehen. Doch niemand sonst scheint es zu sehen, sich damit auseinander zu setzen. Ich glaube, er auch nicht. Festhalten, festhalten, an jedem noch so kleinem Fitzelchen Leben, das verblieben ist, festhalten, verbissen, krampfhaft, eisern. Warum? Weil Papa felsenfest davon überzeugt ist, daß mit dem Sterben alles endet. Ein Leben nach dem Tode, auf welche Weise auch immer, steht für ihn außer Diskussion. Wiedergeburt ist für ihn “der größte Blödsinn überhaupt, das haben Leute sich ausgedacht, die sich selber so sehr wichtig nehmen, daß sie’s nicht ertragen können, eines Tages nicht mehr da zu sein.” Mir scheint aber ein unumstößlicher Fakt zu sein, daß Menschen, die sich innerlich an die Endlichkeit ihrer Existenz gebunden haben, diese für dermaßen wertvoll halten, daß sie nicht loslassen können. – Und auch damit, mit dieser großen, großen Furcht vor dem Auslöschen dieser einen, Mensch gewordenen Facette unseres Daseins, verdient unser Gesundheitswesen eine Unmenge Geld. Jemand, dem es vor dem Dahinscheiden graust, läßt sich leicht einschüchtern, beschwatzen, ausnehmen.
Versteht mich bitte nicht falsch! Ich wünsche meinem Vater nicht den Tod an den Hals, ich liebe ihn, seitdem ich denken kann. Ich wünsche ihm, daß die unerbittliche Gier nach dem Leben nachläßt. Ich wünsche ihm die Weisheit und Erkenntnis, daß dieses Leben, dieses Sein, dieser winzige Ausdruck eines unfaßbar, unermeßlich, für uns auf ewige Zeiten unverständlich Großen und Schönen Schöpfergeistes nur ein Bruchteil unserer Wesenheit ist, eine Schule, in der wir lernen, reifen, hellhörig und klarsichtig werden sollen. Ich wünsche ihm den unumstößlichen Glauben, daß der Tod nichts weiter ist als das Weiterschreiten in einen anderen Raum. Ich wünsche ihm, daß er in Frieden gehen kann…
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Weit mehr als eine Kinderbuch-Autorin… 17. 09. 2008
Als junger Teenager hatte ich ein absolutes Lieblingsbuch: “Mein Freund Flicka”, geschrieben von der Amerikanerin Mary O’Hara. Die Geschichte an sich ist schnell erzählt: Ein verträumter Knabe namens Ken pflegt auf der Ranch seiner Eltern inmitten der scheinbar endlosen Weiten Wyomings das schwerverletzte, halbwilde Stutfohlen Flicka gesund, zähmt es und gewinnt nicht nur dessen Liebe, sondern auch den Zugang zu seinen Mitmenschen und zum wahren Leben. Damals schon fesselten mich an diesem Werk die ungeheuer eindringlichen, mitreißenden Schilderungen der Landschaften des Mittelwestens Amerikas und die wahrhaft lebendig und anschaulich ausgearbeiteten Charaktere der zwei- und vierbeinigen Hauptdarsteller. Ich konnte mich so sehr darin versenken, mit dem Knaben Ken fühlen, mit der kleinen Flicka leiden, am glücklichen Ende Ströme von Tränen vergießen und allen Kummer und Ungemach einer pubertierenden Zwölfjährigen vergessen…
… Ziemlich genau vierzig Jahre später nahm ich, einer spontanen Eingebung folgend, das “Flicka”-Büchlein mal wieder zur Hand und verfiel zu meiner völligen Überraschung aufs Neue dem Zauber, welcher diesem Werke inne wohnt. Ich wurde wieder zum Kinde, meine Falten, meine grauen Haare, die Last der Jahrzehnte schwand magischerweise, aufs Neue fühlte ich mit dem Knaben Ken, litt mit dem Fohlen Flicka und vergoß am glücklichen Ende Ströme von Tränen – intensiver noch als vor so langer Zeit…
… Intenet ist ja eine herrliche Erfindung und sehr, sehr neugierig geworden begann ich zu stöbern nach dieser Mary O’Hara, welche für mich bislang nur eine unbekannte Autorin eines wunderschönen und zeitlosen Machwerks gewesen war. Ich wurde fündig und grub eine atemberaubende Lebensgeschichte aus, faszinierender noch als ihr Roman…
… Mary O’Hara wurde fünfundneunzig Jahre alt und verfaßte in ihrem Neunzigsten ihre Autobiographie “Flicka’s Friend…”, welche leider auf Deutsch nicht erhältlich ist. Sie wurde 1885 in Brooklyn, New York City, als Tochter eines Pastors geboren, hatte noch zwei Schwestern und einen Bruder. Ihre Großmutter mütterlicherseits entstammte einer der damals wohlhabensten Familien Amerikas. Die Mutter verstarb sehr früh, Mary und ihre Geschwister verbrachten etliche Jahre in der Obhut der reichen Oma und einer mehr als exzentrischen, launenhaften, überaus dominanten, zu Wutausbrüchen neigenden Tante. Sie bereisten Zigeunern gleich schier die ganze Welt, ehe Pastor Alsop erneut heiratete und die überaus warmherzige und liebenswerte Stiefmutter die vier Kinder unter ihre Fittiche nahm. Mary O’Hara durchlebte und durchlitt zwei stürmische Ehen, gebar zwei Kinder, verlor bereits in frühen Jahren ihre geliebte, wunderschöne Tochter an Krebs. Sie arbeitete während der Stummfilm-Ära als Drehbuchautorin und galt in einer Zeit, da Emanzipation noch ein Fremdwort war, als ausgesprochen unbequem und selbstbewußt, eine knallharte Geschäftsfrau, mit der man sich besser nicht anlegte. Sie schrieb Zeitungsartikel und Kurzgeschichten und mehr als ein halbes Dutzend Romane, spielte hervorragend Piano, komponierte und verfaßte Schlager, Filmmusiken, klassische Stücke und ein Musical. Zusammen mit ihrem zweiten Mann, Helge Sture-Vasa, einem nach Amerika immigrierten Schweden, ehemaliger Berufssoldat und Schauspieler, zog sie nach Wyoming. Auf der “Remount-Ranch” (die bis zum heutigen Tage existiert) züchteten die Beiden Rinder, Schafe und Pferde und leiteten ein Sommercamp für Jugendliche. Nach ihrer zweiten Scheidung kehrte sie zurück an die Ostküste, nach Massachusetts, wo sie bis zu ihrem Tode 1980 lebte…
… Ich bestellte mir bei Amazon ihre Autobiographie. Und obwohl Englisch nicht meine Muttersprache ist, habe ich dieses Buch atemlos verschlungen. Was für ein farbenprächtiges, facettenreiches, in so vielerlei Hinsicht begabtes und begnadetes Schicksal entfächerte sich hier! Distanziert, aber eindringlich, hinreißend, mitreißend geschildert. Welch eine starke Frau sprach mich da an und zog mich in ihren Bann! Und wieder löste sich die Zeit auf in Nichts, Mary O’Hara war mir beim Lesen so nah, so vertraut, als säße sie mir gegenüber auf der Couch und erzählte von ihrem Leben, als wären keine achtundzwanzig Jahre seit ihrem Tode vergangen, als wären wir die besten Freundinnen…
… Ich habe sie in meine ganz persönliche Galerie “Schutzgeister” aufgenommen. Und wenn ich mich in einer schwierigen, bedrückenden Situation befinde, dann denke ich: “Molly (so ihr Spitzname) hätte sich von so was niemals unterkriegen oder beeindrucken lassen! Die hat den Kopf hoch gehalten, die Zähne zusammen gebissen und ihre Schwierigkeiten gemeistert! – Das tust du jetzt auch!”. Und es hilft.
Molly, wherever You are, I love You deeply and I thank You so much!
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(G)astronomische Schattenseiten… 16. 09. 2008
Nehmen Sie’s bitte nicht so schwer, wenn beim gemütlichen Mahle in einem Restaurant ihr(e) Kellner(in) nicht gerade vor Freundlichkeit strahlt. Denn der Grund dafür könnte durchaus in dem Ton liegen, welcher hinter den Kulissen herrscht, unsichtbar, unhörbar für Sie und alle anderen Gäste. “Meine Leut’ vom Service sind dermaßen dumm, die können net mal eins und eins richtig zusammen zählen…” – “Heut gibt’s bis drei Uhr keinen Espresso, hoffentlich kapieren die Deppen da draußen das auch.” – “Mußt halt a bisserl schneller rennen heut, schmierst halt dei Muschi a bisserl, dann geht das schon.” Ebenso frauenfeindlich: “Mit Weibern zusammen arbeiten is für mich das Schlimmste überhaupt. Euch kann man nur im Privaten, fürs B… und so brauchen.” – “Weiber im Job sind schlimmer als Drachen…”
Sie glauben mir nicht? Das können Sie aber ruhig! Ich arbeite seit zweiunddreißig Jahren im Metier Gastronomie und hab mich von der unbeholfenen Aushilfsbedienung hoch gelernt und hoch gearbeitet bis zum Berufsabschluß Restaurantfachfrau, ja, sogar bis zur Restaurantmeisterin mit Ausbildung der Ausbilder. In diesen mehr als drei Jahrzehnten als Bedienung in den unterschiedlichsten Häusern habe ich einen sehr großen Schatz an Erfahrungen sammeln können. Seien Sie’s versichert, solche Bemerkungen wie die oben zitierten sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern in vielen Restaurants, Gast- und Wirtshäusern gang und gäbe.
Nicht nur am Ton mangelt es vielerorts. Die Hinterhöfe und Abstellräume, in welchen die Mülltonnen und das Leergut aufbewahrt werden, sind oftmals sauberer und gepflegter als die Personalräume und Umkleidekabinen. Duschen, Toiletten und Waschräume – falls vorhanden – werden, wenn überhaupt, nur dann einmal gründlich gereinigt, wenn eine Inspektion des Gewerbeaufsichtsamtes bzw. des Gesundheitsamtes ansteht. Solche Prüfungen sollten überraschend und unangemeldet stattfinden, doch wie durch einen geheimnisvollen Buschtelegraphen wissen die meisten “Gastronomen” bereits Tage vorher, was ansteht. Dazu kommt noch die “auserlesene” Qualität des Personalessens, zumeist lieblos und in aller Eile zusammengekochte Reste entweder der letzten Großveranstaltung, des Brunches vom vergangenen Sonntag oder der Tageskarte von vorvorgestern (ich habe einmal einen Job verloren, weil ich eine Schar von Restauranttestern allen Ernstes in die Kantine zur Verkostung lotsen wollte!). Magen- und Darmerkrankungen wie Sodbrennen, Gastritis, Koliken und chronischer Durchfall sind absolut keine Seltenheit. Da jeder Arbeitnehmer, der im Laufe von zehn Jahren Betriebszugehörigkeit länger als fünf Tage krank “feiert”, fürchtet, auf die sogenannte “Schwarze Liste” gesetzt zu werden und seinen Job zu verlieren, bringt man sich klugerweise seine Mahlzeiten selber mit oder man investiert sein Trinkgeld und isst auswärts.
Es gibt Tarifverträge, ausgehandelt zwischen den Hotel- und Gasstättenverbänden und der Gewerkschaft Nahrung, Genußmittel, Gaststätten (NGG), doch die sind oftmals weniger als das Papier wert, auf dem sie gedruckt werden. Auch in renommierten Betrieben sind drei bis fünf Zwölf- bis Sechszehnstundenschichten pro Woche die Regel. Ein Herr Sch…, nicht nur im Fernsehen sondern auch in der bayerischen Landeshauptstadt vielfach präsent, läßt sein Servicepersonal im dem Prinzregententheater zugehörigen Cafe Prinzipal sechsmal in der Woche zehn bis vierzehn Stunden schuften – für 1.900,- Euro brutto monatlich. Das Trinkgeld, welches man sich gewöhnlich nach Feierabend und getaner Abrechnung abschöpft wie den süßen Rahm von der Milch, fließt in einen sogenannten Tranc, ein veraltetes System aus den Kindertagen der Gastronomie, nach einem komplizierten Punktesystem wird es einmal pro Monat unter all den Mitarbeitern verteilt. Kein(e) Kellner(in) mit einem Funken gesunden Menschenverstandes sollte sich auf so etwas einlassen. Ich selbst bin einmal beim Vereinbaren eines neuen Arbeitsverhältnisses “am Steuer eingeschlafen” und hatte einen Arbeitsvertrag unterzeichnet, welcher mir einen Stundenlohn von € 3,00 brutto + 3 % Umsatzbeteiligung brutto als Salär zusicherte, dazu eine “variable Arbeitszeit, die je nach den Erfordernissen geändert werden kann”, zudem bestand keinerlei Anspruch auf eine Lohnfortzahlung im Urlaubs- bzw. Krankheitsfall. Kommentar der Rechtsabteilung der NGG, der ich dieses Machwerk zur Abgabe eines Gutachtens vorgelegt hatte: “In sämtlichen Punkten absolut sittenwidrig.”
Seien Sie ja nicht erpicht auf eine sogenannte Festanstellung! Da ziehen Sie mittlerweile in jeder Hinsicht den Kürzeren! Aushilfen sind seit ein paar Jahren gefragt und hofiert wie nie zuvor! Warum? Nun, ganz einfach. Weil sie weniger kosten und mehr Schwarzgeld einfahren als jemand, der regulär fest engagiert wird und seinen Arbeitgeber somit dazu zwingt, brav Monat für Monat den Regelsatz an fälligen Steuern und Sozialabgaben abzuführen. Eine Aushilfe wird auf € 400,- oder gar € 100,-Basis angemeldet, jedoch bis zu sechsmal pro Woche zum Arbeiten eingeteilt. In einer Hochsaison, egal ob sommers oder winters, verhilft sie den Wirtsleuten zu ca. 10.000 Euro Schwarzgeld pro Monat – pro Mann bzw. Frau! In etlichen Lokalitäten mit 400 Sitzplätzen und mehr gibt es lediglich ein oder zwei Festangestellte und eine Handvoll an Minijobbern. Daß da etwas faul ist, müßte doch eigentlich jedem aufmerksamen Finanzbeamten einleuchten. Tut es aber sonderbarerweise nicht. Ich kenne zwei gutgehende Wirtschaften, in denen die regulär angemeldeten Serviceleute während der Saison (!!) kurzarbeiten oder Urlaub nehmen müssen, damit die Schwarzarbeiter ordentlich zum Zuge kommen. Diese verdienen Monat für Monat (Arbeitslosengeld bzw. Hartz IV +täglich bar auf die Hand ausbezahlte, “schwarze” 10 % vom Umsatz + Trinkgeld) ein mehr als doppeltes von meinem Salär.
Warum diese Mißverhältnisse im einundzwanzigsten Jahrhundert weiterhin fröhliche Urständ’ feiern können? – Ein Hauptgrund ist die mangelnde Qualifikation! Es leuchtet ein, daß jemand, der einen Trödelladen oder eine Lottobude betreiben will, keine besondere fachliche Ausbildung dafür vorweisen muß. – Aber in der Gastronomie sollte doch eigentlich ein gerüttelt Maß an Vorbildung ein Muß sein! Hier hat man mit Menschen und Lebensmitteln zu tun, zweier mehr als diffiziler “Güter”! – Weit gefehlt! Wer heutzutage ein Lokal eröffnen will, läßt im jeweiligen Gesundheitsamt vier Stunden lang den Vortrag über Hygienebestimmungen und die sogenannte Hackfleischverordnung über sich ergehen. Man kann während dieses erbaulichen Referats SMSen verschicken, Kreuzworträtsel lösen, die B… lesen, seinen MP-3-Player abhören oder am Weihnachtsgeschenk für Tante Liese stricken, macht danach seine drei Kreuzchen oder einen anderen nicht lesbaren Servus unter eine Bescheinigung, bekommt ein Zertifikat ausgehändigt, holt sich im Rathaus seinen Gewerbeschein ab – und ist Wirt(in)! Ohne jegliche tiefgreifende, erlernte Kenntnis darüber, wie man auf Mitarbeiter eingeht, sie motiviert, ihnen gegenüber den richtigen Ton anschlägt, sich im Beschwerdefall zu verhalten hat, welch gerüttelt Maß an Menschlichkeit vorhanden und unermüdlich an den Tag gelegt werden muß, um aus einem Konglomerat von Einzelwesen eine Gemeinschaft wachsen zu lassen. Ohne Sinn für korrektes Verhalten vor allem hinter den Kulissen. Ohne den Willen, stetig an sich selbst zu arbeiten und seine Launen und Stimmungen zu bezwingen. Ohne Ahnung von Buchhaltung, Einkauf, Warenkalkulation – ach, der Steurberater, der wird’s schon richten, des is a Hund, der ist mit allen Wassern gewaschen!
In den meisten europäischen Ländern gibt es seit langem schon einen sogenannten Wirtebrief. Wer sich in der Gastronomie selbständig machen will, muß erst mal für Monate die Schulbank drücken und lernen, lernen, lernen… Als ich mich an einer renommierten Hotelfachschule auf die Meisterprüfung vorbereitete, hatte ich etliche Kommilitonen aus Österreich und der Schweiz, die allesamt hier in Deutschland den Meister machten, weil dieser leichter sei als die Wirteprüfung in jenen Ländern. Das gab mir seinerzeit schon zu denken!
Ich weiß, daß dieser Ruf am Schluße meiner Ausführungen ungehört verhallen wird – und dennoch: Ich fordere einen deutschen Wirtebrief, eine sorgfältige und tiefgreifende Ausbildung aller jetzigen und zukünftigen Gastronomen! Auf daß solche Mißstände, wie ich sie schildern mußte, eines nicht allzu fernen Tages endgültig der Vergangenheit angehören!
Lassen Sie sich trotzdem beim nächsten Restaurantbesuch ja nicht den Appetit verderben oder die gute Stimmung trüben!
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Darf ich vorstellen: Meine Chefin… 13. 09. 2008
… Smokey 1. Juli 1996 – 15. Oktober 2013
Unser Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, seit sehr vielen Jahren ausgesprochen beliebt, hat einmal diesen herrlichen Ausspruch getan: “Meine Frau und ich sind die Hausangestellten zweier Katzen, die in unserer Wohnung fürstlichst residieren.” Das trifft den Nagel schon äußerst genau auf den Kopf…
… Vor etlichen Jahren saß ich inmitten meiner neuen und noch ausgesprochen spärlich möblierten Behausung und zog Bilanz. Ich hatte eine sehr turbulente, Nerven zerfetzende und dramatische Partnerschaft mit einem Alkoholiker überstanden und leckte mir immer noch eifrig die Wunden. Trotz aller durchlittenen Schrecknisse, so ein kleines bißchen störte mich das Alleinesein doch. Einen Untermieter aufnehmen? Eine Wohngemeinschaft gründen? Auf “Männerjagd” gehen? – Kommt überhaupt nicht in Frage!
Eine meiner damaligen Arbeitskolleginnen löste das Problem. Ihre Nachbarin hätte ein allerliebstes, drei Monate altes, getigertes Kätzchen namens Smokey und sei drauf und dran, dieses ins Tierheim abzugeben… Mich haben Katzen seit jeher fasziniert und angezogen. Also war ich auf Anhieb begeistert, diesen kleinen Stubentiger bei mir aufzunehmen.
Sie saß ganz würdevoll, elegant und adrett auf dem Beifahrersitz, als sie mir gebracht wurde. Der Wagen bog in die schmale Straße ein und sie guckte hoch, wie ich da so auf dem Balkon stand und wartete, und der Blick ihrer wunderschönen, großen, grünen, gescheiten Augen verhakte sich tief in meinem Herzen und hat es bis zum heutigen Tage nicht mehr los gelassen. Sie weiß das genau und kann mich in Nullkommanichts mühelos um die kleine Pfote wickeln. Ich bin ihr verfallen. Sie maunzt – mittlerweile verstehe ich ihre Sprache, eine Mischung aus Lauten, Gesten, Mimik und Blicken sehr gut – und ich gehorche…
Smokey liebt ihre kleinen Rituale über alles: Die ausführliche Taschenkontrolle, wenn ich nach Hause komme. Sie belagert meinen Lesesessel, wenn ich’s mir an einem Regentag mit einem dicken Wälzer darin gemütlich machen will. Sie wird zur absoluten Nervensäge, zur unerträglichen Pest, wenn ich es wage, ein Brathendl zu essen. Nach dem Duschen putzt sie mir mit ihrer kleinen Raspelzunge die Füße trocken, absolut gründlich und fürsorglich, als wäre ich ihr Katzenjunges, welches sich ungezogenerweise naß gemacht hat. In der größten Sommerhitze schläft sie, die Wasserscheue par excellence, im Bad im Waschbecken – “Was hast du denn, das ist das kühlste Fleckerl im Haus!” Sie misst nicht mehr als ca. 25 cm Schulterhöhe und kann sich doch in meinem Bett dermaßen breit machen, daß ich kaum mehr Platz zum Schlafen finde.
Mittlerweile zählt sie zwölf Lenze, ist also schon eine gesetzte Katzendame, und tobt dennoch bisweilen in der Wohnung umher wie ein übermütiges Welpen. Nebst Fressen, Schlafen und mich Herumkommandieren zählt Schmusen zu ihren absoluten Lieblingsbeschäftigungen, Kuscheln, genüßlich Schnurren, Köpfchen geben. Sie ist mein Seelentröster, mein Schlafmittel, rollt sie sich in meinen Armen zusammen, fühle ich ihr dichtes, seidenweiches Fell unter meinen streichelnden Händen, vergehen Kummer, Ärger und Sorgen wie im Fluge, ich finde Ruhe, Frieden und sanfte Erholung.
Jetzt sitzt sie in meinem Rücken und späht mir über die Schulter. Ich wette, sie weiß ganz genau, daß ich über sie schreibe…
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Jedes Jahr auf’s Neue – 9/11 ohne Ende… 11. 09. 2008
Nun haben wir diesen internationalen (ja, wirklich?) und äußerst monumentalen Gedenktag zum siebten Male hinter uns gebracht. Elfter September von morgens früh bis abends spät, auf allen Sendern, fürsorglich garniert mit gezielt gesetzen Werbeunterbrechungen…
… Verstehen Sie mich nicht falsch! Auch ich war damals von den Ereignissen mehr als berührt, regelrecht traumatisiert. Nur wenige Monate vorher war ich von stoßweise fauchenden Windboen geschüttelt auf dem Dach des Südturmes gestanden, für mich das Symbol der endgültigen Befreiung aus einer gescheiterten, problembeladenen Partnerschaft und erklecklicher Schulden…
… An die dreitausend Opfer sowie das Vielfache immer noch trauernder, gequälter und seelisch verletzter Angehöriger sind eine schlimme Zahl. Sie ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, wäre mit Sicherheit nicht richtig. – Und doch drängen sich mir da einige Fragen auf:
Wann sind eigentlich die ebenfalls in dieser Intensität abgehaltenen Gedenktage für
– die mehr als 3.000 Kinder, die tagtäglich in den Dritte-Welt-Ländern an Krankheiten und Unterernährung sterben
– die mehr als 3.000 Soldaten, die seit Bestehen der Bundeswehr ihr Leben lassen mußten
– die weitaus mehr als 3.000 Witwen, Waisen, Mütter und Väter der Opfer des Irak-Krieges und des Kampfeinsatzes in Afghanistan
– die weitaus mehr als 3.000 Todesopfer der Unruhen und Metzeleien in Ruanda, Simbabwe, im Sudan, in China, in Tibet
– die weitaus mehr als 3.000 Kinder und Jugendlichen, die dank einer mangelhaften Bildungspolitik in dieser unserer so lobenswerten Demokratie niemals eine gerechte Chance auf eine Ausbildung, einen guten Job haben werden
– die weitaus mehr als 3.000 Kinder und Jugendlichen, die dank der Raffgier, des Egoismus und einer völlig absurden und falsch verstandenen Wirtschafts- und Einwanderungspolitik jegliche Perspektive, jegliches zukünftige Ziel aus den Augen verloren haben und dem Alkohol sowie anderen Drogen verfallen sind
– die weitaus mehr als 3.000 Hartz-IV-Empfänger, denen großkotzige, selbstgerechte, geldgeile und raffgierige Manager die Lebensgrundlage entzogen haben
– die weitaus mehr als 3.000 Menschen der Generation 50 +, die dank eines schier unerträglichen Wahns nach Jugendlichkeit, Plattheit, oberflächlicher Schönheit, Unwissen und Dummheit ihren Job und so sehr oft auch ihre Chancen auf Gleichberechtigung im Beruf verloren haben
– die weitaus mehr als 3.000 an sich gut ausgebildeten menschlichen Intelligenzen, die dank einer stetig primitiven, rohen, auf Oberflächlichkeit, Befriedigung niederster Triebe und Förderung der Dummheit zielenden Medienlandschaft das logische, menschliche, verstandesgemäße Denken verlernt haben
– die weitaus mehr als 3.000 Dahingemetzelten, welche ein fundamentalistisches Christentum in ca. 1500 Jahren Geschichte der Katholischen Kirche gefordert hat (übrigens, die 6 Mill. Opfer des Holocausts eingeschlossen, ein viel-, viel-, vielfaches mehr, als ein fundamentalistischer Islam in ca. 1300 Jahren zuwege gebracht hat, ich empfehle als Lektüre das Buch “Warum tötest du, Zaid” von Prof. Dr. Todenhöfer)
Ich bin weiß Gott kein Freund von Verschwörungstheorien. Aber dennoch nun die Gedanken zum Schluß: Nur ungefähr eine Stunde nach Einstürzen des Südturmes wußten die Berichterstatter von CNN-International bereits, daß Al Kaida Drahtzieher des Infernos vom elftem September gewesen sei. Das Pentagon, die Türme des World Trade Centers und der Absturzkraters des AA-Fluges 93 waren zu diesem Zeitpunkt unzugängliche, rauchende, schmorende, schwelende Trümmerlandschaften und Krater, Horrorszenarien, in die sich kein Mensch hinein wagte, geschweige denn Spurenermittler zugange waren… Schon seltsam, nicht wahr?
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Hallo Martha, entschuldige bitte, dass ich hier in diesem alten Post kommentiere, aber ich möchte dich gern erreichen und weiß mir keinen anderen Rat. Ich hoffe, dass Du benachrichtigt wirst und dies hier liest. Ich weiß nicht, was in Deinem Blog passiert ist. Ich kann Deine Posts lesen, aber ich finde keine Möglichkeit mehr, zu kommentieren oder Kommentare zu lesen. Ich kenne mich gar nicht gut aus mit diesem Technikkram und nehme an, dass ich einfach zu blöd bin. Ich kann auch nicht mehr jeweils einen Post zurückgehen und den lesen, immer nur den aktuellen oder uralte. Zufällig beim Scrollen hab ich hier das Kommentarfeld gefunden. Ich finde es sehr schade, dass ich dir nicht mehr so folgen kann wie ich es immer so gern getan habe. Eine Möglichkeit, warum das nicht mehr geht kann auch sein, dass ich bei Dir nicht mehr erwünscht bin. Sollte das so sein wäre ich sehr dankbar, hierfür eine Erklärung zu bekommen. Habe ich etwas falsch gemacht? Wie gesagt, ich bin traurig über diesen Zustand und würde mich sehr freuen, wenn alles wieder so ist wie vorher.
Liebe Grüße aus dem hohen Norden
Natürlich bist du auf meinem Blog erwünscht! Und dass du nicht mehr auf bisherigem Wege hier kommentieren kannst, hat ganz sicher nichts mit dir zu tun, und tut mir sehr Leid.
Ich habe vor kurzem für meinen Blog ein Upgrade gekauft, vor allem wegen der verlockenden 200 GB Speicherplatz, die mir womöglich bis an mein Lebensende zum Online-Stellen von Fotos und Videos reichen werden. Mit inbegriffen sind auch zahlreiche sogenannte Plugins. Eines davon ist die WP Security App, mit der man Spammer, die über einen sogenannten Proxy-Server bzw. den Tor-Browser auf meinen Blog gelangen, blockieren kann. Da ich seit nunmehr zwölf Jahren immer wieder von einem ausgesprochen üblen rechtsradikalen Troll wüst belästigt werde, lag es für mich nahe, und war auch höchst willkommen, dieses Plugin zu nutzen. Es funktioniert großartig, ich habe endlich, endlich, endlich nach so langen Jahren Ruhe vor diesem Mistkerl!
Leider ist ein Nebeneffekt, dass damit auch treue und liebe Follower wie du, die womöglich über einen Proxy Server auf meinen Blog gelangen, ausgebremst werden. Ich weiß von insgesamt drei Mitbloggern, die das gleiche Problem haben wie du.
Vielleicht funktioniert das Kommentieren hier für dich ja wieder, wenn du dich als Follower ausloggst, und über den Mozilla Firefox, Google Chrome oder einen anderen normalen Browser auf meinen Blog gehst.
Dass auf der Startseite nur mehr der aktuellste Post zu sehen ist, ist eine „Nebenerscheinung“ der Umstellung auf das neue Theme. Da bin ich auch noch am Tüfteln für eine bessere Lösung. Allerdings bräuchtest du unter dem jetzigen Post eigentlich nur den Hinweis „Nächste Seite“ anklicken, oder die Suchfunktion nutzen, und dann könntest du wie gewohnt ältere Posts aufrufen. 😉
Ich wünsche dir einen entspannten Sonntag, und grüße dich herzlich zurück!